Weltweit werden bislang lediglich sechs Prozent der verarbeiteten Materialien recycelt. Hinzu kommen globale Herausforderungen des Klimawandels, die zunehmende Rohstoffverknappung sowie die steigende Umweltverschmutzung, aus welchen der Bedarf an einer Kreislaufführung von Produkten, Komponenten und Materialien resultiert. Erforderlich ist ein Übergang von der derzeit überwiegend linearen Wirtschaftsweise, welche dem „take-make-dispose“ (Produzieren-Nutzen-Entsorgen)‑Gedanken folgt, hin zur Kreislaufwirtschaft.
Das Institut für Logistik und Unternehmensführung (LogU, W-2) der Technischen Universität Hamburg (TUHH) bearbeitete von Dezember 2020 bis November 2022 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Kersten gemeinsam mit der Kühne Logistics University (KLU) und interessierten Unternehmen das Projekt „Blockchain für die Kreislaufwirtschaft“ (BlinK) im Rahmen der sog. Industriellen Gemeinschaftsforschung. Ziel des durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekts war es, digitale Zwillinge auf Basis der Blockchain-Technologie zu konzeptionieren und in Bezug auf den Nutzen für Supply Chains der Kreislaufwirtschaft zu evaluieren.
In der Praxis scheitert die effektive Kreislaufführung von Produkten, Komponenten und Materialien häufig an der unzureichenden Verfügbarkeit von Produktinformationen entlang der Supply Chain. Zum Ende der Nutzungszeit liegen den Nutzenden oder Verwertenden meist nicht die nötigen Informationen – wie u.a. Materialzusammensetzungen oder Anleitungen – vor, um das Produktleben zu verlängern. Eine Reparatur oder fachgerechte Verwertung der Produkte wird somit erschwert.
Ein digitaler Zwilling (digital twin) kann hier Abhilfe schaffen, indem ein digitales Abbild eines physischen Produkts geschaffen wird, welches einen durchgehenden Informationsaustausch für alle Akteure über den gesamten Produktlebenszyklus ermöglicht. Die Anforderungen an einen solchen digitalen Zwillings sind besonders im Umfeld von Lieferketten durch viele heterogene Akteure (u.a. aus Herstellung, Distribution, Nutzung, Reparatur und Recycling) sehr vielfältig. Mittels User Story Mapping konnten basierend auf Workshops und Expert*inneninterviews im Rahmen des BlinK-Forschungsprojekts Anforderungen an einen Blockchain-basierten digitalen Produktzwilling bestimmt und in funktionale und technische Eigenschaften gegliedert werden. Besonders die Relevanz der Blockchain als mögliche technologische Basis für einen digitalen Zwilling ist im Zuge dessen hervorgehoben worden, da spezifisch die Themen Transparenz und Datensicherheit eine Rolle beim Informationsaustausch spielen. Auf Basis dieser Erkenntnisse entwarf das Projektteam einen Demonstrator eines exemplarischen digitalen Produktzwillings für die Kreislaufwirtschaft (siehe Abbildung 1). Dort sind beispielhafte Informationen über das jeweilige Produkt (in diesem Fall eine analoge Armbanduhr) hinterlegt, welche je nach Rolle jederzeit bearbeitet und ergänzt werden können. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Projekts ein Entscheidungswerkzeug entwickelt, welches über die mit dem Einsatz Blockchain-basierter digitaler Zwillinge verbundenen technischen Umfänge sowie strategischen Implikationen informiert.