TUHH Wissenschaftler Wolfgang Schröder fasziniert der Geruch von Krebs

Experten auf einem Kongress der Krebsmarkerforschung in Polen zeigen großes Interesse an seiner Arbeit

Leichtflüchtige Düfte sind sein Faible, dem stechenden Gestank von geruchserzeugenden Stoffen gehört seine wissenschaftliche Leidenschaft. Ob Insektenlockstoffe oder Gerüche von Lebensmitteln, den Wissenschaftler und Oberingenieur am TUHH Institut für Messtechnik Wolfgang Schröder reizt es seit jeher, chemisch schwierig aufgebaute Stoffe zu identifizieren. "Man braucht einen unkonventionellen Geist, um diese häufig „verrückt“ aufgebauten Moleküle zu erkennen", so der promovierte Chemiker. Im Mikrokosmos des Instituts und dem Umfeld seiner Kollegen und Kolleginnen hat Dr. Schröder eine Heimat gefunden – als Oberingenieur und Forscher.

Vor 14 Jahren entdeckte er die Atemluft als neues wissenschaftliches Spielfeld für sich. In einer für ihn glücklichen Kooperation mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ging es im Wesentlichen darum, Krankheiten wie Zahnfleischentzündungen und die Wirkung eines Medikaments dagegen, über Atemluftbestandteile zu beschreiben. In diesem Zusammenhang erhielt er eine Vielzahl an Atemluftproben von Menschen, die an unterschiedlichsten Krankheiten litten, darunter auch häufig an Krebs. "Zu dieser Zeit habe ich versucht, eine Inventur tausender Stoffe in Atemluft durchzuführen mit der Zielrichtung, Krankheiten über deren Konzentrationsänderungen zu diagnostizieren." Es ist vor allem die Analytik der Stoffe, die ihn interessiert. Mit seiner speziell dafür optimierten Analysemaschine verfolgte er gespannt die Stoffmuster der Atemproben.

Vornehmlich faszinierte ihn der Geruch von Krebs. Hunde können Krebs eindeutig erschnüffeln, jedoch wurde nie ein Stoff gefunden, der diesen Geruch ausmacht. "Möglicherweise bin ich der erste Forscher auf der Welt, der diesen Krebs-Geruchsstoffen konkret auf die Schliche gekommen ist. Da sich diese Stoffe im Geruch auch mit modernsten ultra-Hochleistungsmethoden nicht nachweisen lassen - sonst hätte man sie längst gefunden -, habe ich für deren Entdeckung den Weg quasi andersherum gewählt. Ich habe den Chemismus in Krebs mit allen Publikationen, die es bis dato gibt, recherchiert und bin zu der Überzeugung gekommen, dass einzig eine typisch riechende und vor allem nur in Krebs erhöhte flüchtige Stoffklasse in Frage kommen kann. Diese Stoffe müssen eine Eigenschaft besitzen, mit der sie sich den Bemühungen der Analytiker erfolgreich entziehen konnten." Eigentlich kamen dafür nur ein paar Stoffklassen in Frage.

Nach einigen Versuchsreihen wurde Schröder fündig, denn hegt man einen konkreten Verdacht, ist es leichter, gezielt Maßnahmen zur Stabilisierung der Stoffe zu ergreifen. "Mit einigen Tricks konnte ich sie dazu bringen, noch nach Wochen den ihnen eigenen extremen Geruch zu verbreiten. Versucht man jedoch mit Analysetechnik nach ihnen zu greifen, zerfallen sie wie Geister. Zum Nachweis per Analytik sind sie im Krebsgewebe deutlich zu gering konzentriert. Dennoch ist mir wenigstens der Beweis ihrer Existenz überhaupt gelungen."

Dank seiner profunden Erfahrungen im Umgang mit reaktiven Stoffen gelang es Wolfgang Schröder mit einem dafür speziell entwickelten Tieftemperatur-Gaschromatographen das stets auftretende Gemisch aus Ausgangsstoffen, Geruchsstoffen und Zersetzungsprodukten in Einzelsignale aufzutrennen und die Geruchserzeuger eindeutig nachzuweisen. Dies gelingt erst bei sehr hohen Stoffkonzentrationen in denen die Stoffe penetrant faulig riechend als rubinrot leuchtende Lösungen vorliegen.

Schröder verfolgte die richtige Fährte. Dies bewiesen Tests mit einem Spürhund der renommierten Hundeschule TeamCanin aus dem Schwarzwald. Das Tier wurde auf die synthetische Mischung der als Krebsmarker verdächtigen Substanzen trainiert. Nach monatelangem Training konnte es die in extrem gering dosierten Mengen in Diffusionsröhrchen verschlossene Stoffmischung unter vielen anderen Geruchsquellen erschnüffeln. In den nachfolgenden Versuchsreihen an echten Gewebeproben zeigte der Hund unter denselben Bedingungen Lebertumore unter fünf Leberproben Nicht-Krebskranker stets richtig an. Schröder: "Der Hund hat mir bestätigt, dass die synthetisch hergestellten Stoffe tatsächlich wie Krebs riechen, denn echtes Gewebe hat er vorher noch nie beschnüffelt."

Die Arbeit des Wissenschaftlers erregt europaweit Aufsehen. Es folgte eine Einladung nach Torún in Polen zu einer bedeutenden internationalen Konferenz über Atemforschung und Krebsmarkerforschung. Die „Breath Analysis 2014“ fand im Juli stattgefunden. Ausgerichtet hat sie das Journal of Breath Research, eine angesehene Fachzeitschrift, die regelmäßig Publikationen zu dem Thema veröffentlicht. "Man teilte mir mit, dass man von mir als sogenannten 'invited speaker' einen Vortrag über mein Thema erwarte." Ein Novum für Wolfgang Schröder, der jahrelang forschte, ohne sich auszutauschen. "Ich habe nie jemanden gehabt, der mich in meiner Arbeit bestätigt hat und mir versicherte: Schrödi, das was du machst, da ist was dran! Doch zog ich aus der Fachliteratur das sichere Gefühl, dass ich Recht haben müsste und der Lösung nahe bin. Es war ein großartiges Gefühl aus der Isolation heraus plötzlich an einer Konferenz teilzunehmen auf der die Spitzenwissenschaftler Europas versammelt sind." Die Aufregung des TUHH Wissenschaftler wich schnell, als er ein Labor betrat "das dem meinem so ähnlich sah, dass ich ausrief: Nice to be back home!"

Schröder war angekommen. Es folgten erst der Vortrag, dann die Diskussion, schließlich der Applaus. Der deutsche Chemiker diskutierte mit den internationalen Kollegen auf Augenhöhe, erlebte Zuspruch und großes Interesse an seiner Arbeit. Auch wird er im Herbst 2014 endlich publizieren - sein Wissen preisgeben - in dem führenden Journal seines Fachgebiets, dem Journal of Breath Research. Zudem hat er viele neue Kooperationspartner gefunden, die ihm im Bereich der Entwicklung von Messgeräten, von Sensoren und auch bei Hundetests zur Seite stehen wollen, um endlich auch die letzten Zweifel an Stoffen, die sich einfach nicht nachweisen lassen wollen, auszuräumen.

Text: Martina Brinkmann

http://www.tuhh.de/mt/mitarbeiter/oberingenieur/wolfgang-schroeder.html