Olga Maria Hungar
Thema: Die Stadt und die Stadt im Film in ihrer Rezeption in Architektur und Stadtplanung
Fach: Architektur
Betreuer: Prof. Paolo Fusi
Status: Projekt abgeschlossen, Dissertation publiziert unter dem Titel "Stadt und Film im Kontext von Architektur und Stadtplanung" (Aachen 2010)
Zusammenfassung:
Die Stadt, von je her ein beliebtes Sujet des Films, zieht sich in unzähligen Variationen durch die Filmgeschichte. Sie dient nicht nur als Kulisse, viele Filme beziehen eine klare Haltung gegenüber der Stadt oder Stadtvision, die sie inszenieren. Umgekehrt entwickeln Filme oftmals einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das mediale Image von Städten. Auch die Welt der Architekten bleibt nicht unberührt von filmischen Interpretationen der Stadt. Schon in den 1920er Jahren herrschte in Architektenkreisen eine rege Diskussion über das Verhältnis von Stadt im Film. Das disziplinäre Interesse von Architekten am Medium Film verebbt jedoch recht schnell wieder und begann sich erst in den späten 1960er und 1970er Jahren wieder zaghaft zu formieren um sich ab den 1980er Jahren bis heute zu einem festen und dauerhaften Bestandteil des architekturtheoretischen Diskurses zu entwickeln.
Im Mittelpunkt der Dissertation steht die Analyse der verschiedenen Betrachtungsebenen der architektur- und stadttheoretischen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Stadt und Stadt im Film, sowie die Frage, welche Entwicklungen im Film wie auch in Architektur und Stadtplanung den aktuellen Diskurs veranlassten. In diesem Zusammenhang wird ein Periodisierungsmodell vorgeschlagen, welches die historische Entwicklung der Darstellung von Stadt im Film seit den Anfängen des Films bis heute in verschiedene Entwicklungsphasen gliedert und auf Entwicklungen realer Städte Bezug nimmt. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Phase der 1960er und 1970er Jahre, in denen der architekturtheoretische Diskurs über das Verhältnis von Stadt und Stadt im Film eine Wiederbelebung erfuhr. Eine mobilisierte Filmproduktion (vor allem die Verfügbarkeit handlicher Aufnahmeapparaturen) führte neben einer Subjektivierung der filmischen Perspektive zu einer zunehmenden Verwendung städtischer Originalschauplätze. Mit Filmen wie ALPAVILLE [Godard/1965], PLAYTIME [Tati/1965], A CLOCKWORK ORANGE [Kubrick/1971] und ZABRISKIE POINT [Antonioni/1969] rückt die zeitgenössische Stadt ins Zentrum des Filmgeschehens. Es entwickelte sich eine neue Form der Darstellung von Stadt im Film, die sich mit dem städtische Alltag, der Kommerzialisierung des Stadtraums und der funktionalistische Stadt der Moderne befasste. Auch in wegweisenden Architekturpublikationen der Zeit wie z. B. „A View form The Road“ [Appelyard, Lynch, Meyer/1964], „Learning from Las Vegas“ [Venturi, Scott Brown, Izenour/1972], „The Image of the City“ [Lynch/1960] wurden neue Ansätze in der Auseinandersetzung mit Stadt deutlich. So unterschiedlich die verschiedenen Ansätze auch sein mögen, lassen sich doch ganz deutliche Gemeinsamkeiten ausmachen: zum einen die Kritik an den städtebaulichen Leitbildern der Moderne, zum anderen die Entdeckung der alltäglichen städtischen Wirklichkeit als Forschungsfeld.
Die thematische wie visuelle Annäherung der Darstellung von Stadt im Film und in architektur- und stadttheoretischen Publikationen in den 1960er und 1970er Jahren — so eine zentrale These der Dissertation — führte zu einer verstärkten disziplinären Auseinandersetzung von Architekten und Stadtplanern mit dem Medium Film und der Darstellung von Stadt. Einzelne Architekten und Stadtplaner begannen nun gezielt die Möglichkeiten filmischer Techniken und Methoden für die eigene Disziplin auszuloten um neue raumplanerische Instrumentarien zu entwickelten. Rückblickend kann diese Phase als zentraler Impulsgeber für den zeitgenössischen Diskurs über das Verhältnis von Stadt und Stadt im Film verstanden werden.