Andrea Röber
Thema: Keramikproduzenten aus Großbritannien auf Weltausstellungen, 1851-1910 – Wirtschaftliche Realität der Ausstellungsteilnahme und Motive zwischen direktem Gewinn, Umwegrentabilität und angewandter Gewerbeförderung
Fach: Kunstgeschichte
Betreuerin: Prof. Margarete Jarchow
Status: Projekt abgeschlossen, Dissertation publiziert unter dem Titel "Weltausstellungen (1851-1910) aus Sicht britischer Keramikproduzenten. Motive – Investition - Gewinn" (Aachen 2010)
Zusammenfassung:
Vielfach hat die Forschung konstatiert, die Institution Weltausstellung habe im 19. Jahrhundert einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der angewandten Kunst gehabt und dies anhand von Produkten vor allem der staatlichen Manufakturen oberflächlich belegt. Diese Arbeit liefert eine exemplarische Untersuchung der gestalterischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Ausstellung und Ausstellern aus der Kunstindustrie auf Weltausstellungen. Fragen nach den tatsächlichen Teilnahmebedingungen, nach Investition und Gewinn, nach dem Zusammenhang zwischen praktischem Fortschritt auf technologischer und gestalterischer Ebene in den Fabriken und den Ausstellungen, stehen dabei im Mittelpunkt. Die britische Keramikindustrie bietet für diese Analyse ein gutes Beispiel, da sie durch privates Unternehmertum und frühe (teil)industrielle Fertigung geprägt war, gleichzeitig über eine breit gefächerte Produktpalette und Klientel sowie weltweite Absatzmärkte verfügte. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Firmen Minton, Copeland und Wedgwood, deren erhaltene Archive aufschlussreiche Quellen aufbieten, die eine teilweise Rekonstruktion der Ausstellerperspektive erlauben.
Zwischen 1851 und 1910 beteiligten sich die britischen Keramikproduzenten an den Weltausstellungen. Neben den auch von offizieller Seite getragenen patriotisch und idealistisch geprägten Motiven (nationale Selbstdarstellung, Stärkung der nationalen Wirtschaft) hatten die Aussteller spezifische Erwartungen an die Ausstellungsteilnahme. Diese stellte eine beträchtliche Investition dar, die seit den 1870er Jahren stark stieg, da die Präsentation aufwändiger wurde. Daraus folgende direkte finanzielle Gewinne sind nicht nachzuweisen. Daher liegt der "Gewinn" für die Unternehmen vor allem in der Werbung, in Imagebildung und Publicity sowie angewandter Gewerbeförderung begründet. Eine wesentliche Rolle der Weltausstellungen für eine beschleunigte Entwicklung und Verbreitung von neuen Materialien und Techniken ist ebenfalls nicht nachweisbar, wohl aber eine verstärkter Austausch von gestalterischen Neuerungen. Seit 1867 wandelte sich die Weltausstellung zunehmend von einer Industrieausstellung zur Kulturausstellung, auf der die kunstindustriellen Produkte durch kulturelle Exponate in den Hintergrund gedrängt wurden. Dieser Wandel begründet die vielfach konstatierte "Ausstellungsmüdigkeit". Dass Aussteller dennoch vielfach bis in das 20. Jahrhundert an Weltausstellungen teilnahmen, illustriert, wie groß ihr immaterieller Profit bzw. die Hoffnung darauf war. Spätestens 1910 hatte sich die Mehrzahl der Produzenten (jenseits der nationalen Pavillons) von den Weltausstellungen zurückgezogen. Massenmedien, neue Vertriebsmöglichkeiten (z.B. das Kaufhaus) und neue Ausstellungsformen (z.B. die Fachmesse) boten wirtschaftlich ergiebigere Foren.