Software-Entwicklung
KALYPSO-1D2D

Das am Institut für Wasserbau der TUHH verwendete 1D2D-Modell ist ein Finite-Elemente-Model zur Lösung der zweidimensionalen, tiefengemittelten Flachwassergleichungen. Der ursprünglich 1973 vom US Army Corps of Engineers unter Norton, King und Ortlob entwickelte Programmkern wird heute sowohl für die Lösung von stationären als auch dynamischen Abflussprozessen eingesetzt. Der Rechenkern ist seit seinem Entstehen unter dem Name RMA2 bekannt. Er wurde unter anderem an der Universität Davis in Kalifornien von King und Roig um die sogenannte Marsh-Option erweitert, mit welcher der dynamische Prozess des Trockenfallens und Wiederbenetzens von Elementen simuliert wird. Heute ist der Rechenkern RMA2 weltweit im Einsatz. Er ist international akzeptiert als hydraulisches Model für stationäre und instationäre 2D-Strömungssimulationen zur Modellierung offener Gerinne (www.fema.gov).

Die am Institut für Wasserbau der TUHH verwendete Programmversion nutzt eine graphische Schnittstelle zu RMA2, welche von Björnsen Beratende Ingenieure in Koblenz als BCE2D vermarktet wird und auf dem CAD-System MicroStation basiert (www.bentley.com).
Das am Institut für Wasserbau der TUHH verwendete Modell wurde kontinuierlich erweitert und an den neusten Stand der Wissenschaft anpasst. Für die Programmbetreuung waren Dr.-Ing. Sebastian Rath (Numerik verschiedener finite Elemente Verfahren, Vollautomatische Netzgenerierung) und Dr.-Ing. Wolf Plöger (Entwicklung eines Morphologie-Pakets) zuständig. Um der derzeit am Institut für Wasserbau entwickelten Programmfamilie KALYPSO Rechnung zu tragen (KALYPSO-NA, KALYPSO-1D), wurde die Weiterentwicklungen KALYPSO-1D2D genannt.

Als klassisches 2D-Model berechnet KALYPSO-1D2D Wasserstände und horizontale Komponenten der Fliessgeschwindigkeiten sowohl für strömenden als auch schiessenden Abfluss in offenen Gewässern. Die Lösung der Flachwassergleichungen vernachlässigt vertikale Beschleunigungskomponenten und nimmt an, dass lokale Geschwindigkeitsvektoren über die gesamte Wassersäule in die gleiche Richtung zeigen. Die Zeitabhängigkeit wird über ein modifiziertes Crank-Nicholson Verfahren abgebildet, wobei das Newton-Raphson Verfahren verwendet wird.
Innovative Ansätze von KALYPSO-1D2D sind in den Bereichen Rauheitsmodellierung, Turbulenzmodellierung, numerische Gleichungslösung und Morphologie enthalten. Die Rauheitsmodellierung erfolgt über das Colebrook-White'sche Widerstandsgesetz und beinhaltet die Modellierung von Fliessverlusten infolge von überströmtem und durchströmtem Bewuchs. Als numerische Lösungsverfahren steht ein klassischer Galerkin-Finite-Elemente Ansatz (GFEM) sowie ein hybrider Control-Volume-FEM Ansatz (CVFEM) zur Verfügung. Letzterer nutzt eine Formulierung der Kontinuitätsgleichung über ein Kontrollvolumen. Er zeichnet sich durch einen besonders strengen Massenerhalt für die simulierten Knoten und damit einer potentiell höheren Genauigkeit aus. Genutzt werden isoparametrische Finite-Elemente: Dreiecke für den hybriden CVFEM-Ansatz und Drei- bzw. Vierecke für den GFEM-Ansatz. Verschiedene Turbulenzmodelle sind bei der Simulation verfügbar: Ein konstantes Wirbelviskosität-Modell, ein bodeninduziertes Turbulenz-Modell, der Prandtl'sche Mischungswegansatz und das Smagorinsky Modell.

Der aktuelle Stand der Modellentwicklungen wird durch unsere Mitarbeiter betreut, darunter das Programmpaket zur automatischen Netzgenerierung (GAJA3D). Künftig wird der Rechenkern KALYPSO-1D2D auf Basis von RMA2 von dem weiterentwickelten gekoppelten 1d-2d-Modell für stationäre und instationäre Transport- und Abflussprozesse namens KALYPSO-1D2D basierend auf RMA10s abgelöst werden.