LESSEO
Entwicklung einer Methodensammlung zur dynamischen Betrachtung von Leckwasser in Schiffen
- gefördert durch
BMWi - Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
- Partner
FSG, TUHH
- Laufzeit
01.09.2011 - 31.08.2014
Das Vorhaben hat zum Ziel, eine flexibel einsetzbare Methodensammlung zur dynamischen Betrachtung von großen Wassermengen im Schiff zu entwickeln und für Entwurfs- und Dimensionierungswerkzeuge bereitzustellen. Dabei baut das geplante Vorhaben auf den Ergebnissen auf, die in den Vorhaben LaSSE, SinSee und ROLLS erzielt wurden. Nach Abschluss dieser Vorhaben ist es möglich geworden, eine auf physikalischen Grundlagen beruhende Methodik anzuwenden, die das Bewegungsverhalten intakter Schiffe in schwerem Wetter vernünftig erfasst und bewertet. Darauf aufbauend konnte ermittelt werden, wie viel Stabilität ein Schiff mindestens haben muss, damit im schweren Wetter ein Kentern mit einer als vernünftig zu erachtenden Sicherheit vermieden werden kann. Damit wurden Grundlagen gelegt, um mit angemessenen Methoden Kentervorgänge bewerten und auch vermeiden zu können. Dabei wurde das Schiff aber immer als intakt angesehen, und zwar in dem Sinne, dass alle Schiffsteile zur Berechnung hinzugezogen worden sind, welche nach den geltenden Regeln mindestens als wetterdicht klassifiziert werden können. Die zur Validierung verwendeten Modelle enthielten weitere Teil des Schiffes – wie z. B. Deckshäuser – die nicht wetterdicht sind und daher nicht mit in die Berechnungen einbezogen werden dürfen. Für den betrachteten Kentervorgang im Rahmen der genannten Vorhaben waren diese Fragen auch zunächst ohne Bedeutung, weil es grundsätzlich darum ging, gefährliche Situationen generell zu erkennen und zu vermeiden. Nun hat die Analyse zahlreicher Stabilitätsunfälle verschiedener Schiffstypen gezeigt, dass reale Kentersituationen immer anders verlaufen, als sich in Modellversuchen realisieren lässt. Der wesentliche Unterschied begründet sich darin, dass das Schiff nicht sofort – wie im Versuch - kentert, sondern dass zunächst immer eine Gleichgewichtslage mit großer Schlagseite entsteht, in der das Schiff dann zunächst liegen bleibt. Diese erste Phase des Kenterns, also der Verlust der Stabilität, kann durch verschiedene Mechanismen oder deren Kombination entstehen:
- Verlust der Stabilität, meist auf dem Wellenberg
- Überschreiten des Kenterwinkels durch Seegangsmomente (parametrisch oder direkte Erregung)
- Ladungsverschiebung
- Wasser im Schiff oder an Deck
Dabei kann Wasser in das Schiff gelangen, wenn zuvor das Schiff durch exzessive Bewegungen oder Belastungen undicht geworden ist (RoRo- Fahrgastschiffe) oder einfach dadurch, dass sich große Mengen von Wasser auf Deck sammeln (Kümos, Fischereifahrzeuge). In dieser Gleichgewichtslage verharrt das Schiff dann eine Zeit lang und schwimmt möglicherweise stabil. Meist findet dann aber ein Wassereinbruch durch fortlaufende Flutung statt, so dass das Schiff dann nach einer gewissen Zeit kentert oder sinkt. Dabei ist wichtig, dass die beschriebene Ereigniskette – insbesondere dann, wenn Ladungsverschiebung mit dazu kommt – früher eintritt, als es bei Modellversuchen beobachten wäre. In diesem Sinne sind also Modellversuche nicht konservativ in der Bewertung, so dass man ohnehin auf Simulationen angewiesen ist. Daher verfolgte ja auch ein Teilvorhaben in LaSSe exakt das Ziel, den eigentlichen Kentervorgang realistischer beschreiben zu können. Dies ist für einige Teilbereiche auch gelungen, insbesondere auch für Wasser- an Deck- Fragen, die mittels extrem einfacher Geometrien ausreichend gut gelöst werden konnten (z. B. Wasser in den Lukengängen). Andere Anwendungen haben aber gezeigt, dass die Berechnungen bei großen Schiffsbewegungen und bei komplexen Geometrien extrem unzuverlässig werden, so dass entsprechende Vorhersagen nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich sind. Aus dieser Problematik ergeben sich nun zwei sicherheitsrelevante Fragestellungen: Für die Schiffstypen, die besonders empfindlich auf Wassereinbruch reagieren – RoRo und RoRo- Fahrgastschiffe – stellt sich die Frage, wie viel Leckwasser ein solches Schiff als Entwurfslast möglicherweise ertragen muss, um noch einen ausreichenden Sicherheitsstandard sicherzustellen. Dies ist besonders wichtig, weil die geltenden Lecksicherheitsregeln nach der SOLAS 2009 B1 den besonderen Versagensmechanismus „Wasser an Deck“ gar nicht mehr enthalten, und es damit prinzipiell möglich ist, Schiffe mit einem nicht ausreichenden Sicherheitsniveau entwerfen zu können. Dabei geht es also darum, solche gefährlichen Situationen generell zu vermeiden. Andererseits ist es wichtig, einschätzen zu können, ob ein Schiff tatsächlich kentern oder sinken wird, wenn es in solche Situation gekommen ist, und wie lange das möglicherweise dauern wird. Denn einmal ist eine Evakuierung von großen Fahrgastschiffen immer extrem problematisch, zumal es bei den heute in der Entwicklung befindlichen großen Rettungsbooten extrem schwierig ist, diese wieder aufnehmen zu können. Und zum anderen haben Kenterunfälle von Frachtschiffen (z. B. FINNBIRCH) gezeigt, dass es praktisch kaum möglich ist, Besatzungsmitglieder von Schiffen sicher mit Helikoptern abbergen zu können. Daher werden sowohl für Fracht- als auch für Passagierschiffe Methoden benötigt, die das Verhalten von größeren Wassermengen im Schiff so zuverlässig vorhersagen können, dass damit die resultierenden Schiffsbewegungen zuverlässig vorhergesagt werden können. Neben den bereits genannten Anwendungsfällen wäre eine zuverlässige Berechnungsmöglichkeit von großen Wassermengen im Schiff auch noch für weitere Anwendungsfälle wichtig, die aber nicht primär im Fokus des Vorhabens stehen: Einmal geht es um die zuverlässigere Berechnung Flüssigkeitsbewegung in Rolldämpftanks. Dies ist deswegen schwierig, weil wegen der Einbauten (Längsträger, Bodenwrangen) eine Behinderung der Flüssigkeitsbewegung stattfindet, die derzeit nicht vorhergesagt werden kann. Dies ist wichtig, wenn Schiffe – wie aufgrund der derzeitigen Wirtschaftkrise – nur wenig Ladung haben und damit sehr viel Stabilität aufweisen. Dadurch ist es vermehrt zu Stabilitätsunfällen gekommen, die möglicherweise durch eine Stabilitätsverminderung bei teilgefüllten Räumen hätten vermieden werden können. Verbessernde Maßnahmen können aber nicht quantifiziert werden, weil die Berechnungsmethoden das nicht hergeben. Schließlich wird durch den einsetzenden Boom der Offshore- Windanlagen vermehrt die Notwendigkeit formuliert, präzise Baggermanöver auch im Seegang durchführen zukönnen. Dazu bräuchte man aber die Schiffsbewegungen, die schwer vorherzusagen sind, weil dazu das Bewegungsverhalten des (flüssigen) Baggergutes benötigt werden würde. Ähnliches gilt für Open- Top- Containerschiffe, bei denen das in den Laderaum eindringende Wasser nur sehr mühsam (und statistisch fragwürdig) im Modellversuch bestimmt wird. Die im Rahmen des Vorhabens entwickelten Verfahren sollen so modular entwickelt werden, dass sie sowohl für dynamische Berechnungen (in Kombination mit Simulationen der Schiffsbewegung im Seegang) als auch bei hydrostatischen Sinkrechnungen eingesetzt werden können. Dabei wird prinzipiell auf eine Reihe von möglichen Anwendungsszenarien gezielt, es haben aber die dynamischen Probleme mit großen Flutungen Vorrang in Anwendung und Bearbeitung.
Mehr Informationen erhalten Sie bei den Ansprechpartnern: Hendrik Dankowski, Johannes Will, Arne Falkenhorst
Publikationen
Folgende Publikationen wurden im Rahmen dieses Forschungsvorhabens erstellt:
- Stefan Krüger, Hendrik Dankowski, Hannes Hatecke, Florian Kluwe, Oliver Lorkowski (2015). Abschlussbericht LESSEO: Untersuchung der Lecksicherheit von Schiffen unter besonderer Berücksichtigung des zeitabhängigen Sinkverhaltens und dynamischer Einflüsse aus großen freien Oberflächen. Hamburg. [pdf]
- Hendrik Dankowski, Florian Kluwe, Oliver Lorkowski (2014). An Experimental Study on Progressive and Dynamic Damage Stability Scenarios. OMAE, San Francisco, USA. [pdf]