Viertakt Dual-Fuel Schiffsmotorenprüfstand

Hintergrund

Verbrennungsmotoren sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts einer der wichtigsten Treiber des globalen Wirtschaftswachstums. In mobilen Anwendungen ist neben dem Energiewandler (hier: Verbrennungsmotor) der Energiespeicher (hier: Kraftstoff) von ebenbürtiger Bedeutung.

In der Schifffahrt werden Dieselkraftstoffe eingesetzt, weil diese weltweit verfügbar sind, einfach zu handhaben sind, über lange Zeit sicher gelagert werden können und eine sehr hohe Energiedichte aufweisen. Die zugehörigen Dieselmotoren zeichnen sich durch ihre große Zuverlässigkeit, ihre lange Lebensdauer, ihr breites Leistungsspektrum, ihren sehr hohen Wirkungsgrad und ihren vergleichsweisen sicheren Betrieb aus. Zudem ist der Betrieb auch heute noch sehr wirtschaftlich machbar. Die Energiedichte beschreibt wie viel Energie im Energiespeicher steckt. Je länger die Strecke (ohne Möglichkeit den Energiespeicher aufzufüllen), desto wichtiger ist die Energiedichte des Energiespeichers. Die hohe Energiedichte (volumetrisch und gravimetrisch) von Flüssigkraftstoffen ist der Hauptgrund dafür, dass nach aktuellem Stand der Technik und der Wissenschaft für den größten Teil des internationalen Warentransports mit Schiffen bisher keine großflächig einsetzbare Alternative zum Verbrennungsmotor existiert.

Andererseits ist heutzutage weithin bekannt, dass Verbrennungsmotoren dem Klima und der Umwelt massiv schaden zufügen. Der erste Punkt (Klima) lässt sich theoretisch ganz einfach lösen: keine fossilen Kraftstoffe mehr verwenden – ist praktisch aber eine riesige Herausforderung. Die sog. alternativen Kraftstoffe müssen verfügbar und relativ einfach handhabbar sein, der Betrieb der Anlagen muss sicher und zuverlässig erfolgen und die Leistungs- und Dynamikanforderungen müssen erfüllt werden. Dies können z.B. synthetische sog. Low-Flashpoint Kraftstoffe[1] sein, die ottomotorisch verbrannt werden.

Beim zweiten Punkt (Umwelt) geht es um die Emission von sog. Luftschadstoffen, wie Partikeln, Schwefeloxiden, Stickoxiden und weiteren schädlichen chemischen Verbindungen. Bekanntes umfangreiches Wissen zu deren Reduktion muss an die neuen Randbedingungen angepasst werden. Hier können synthetische Low-Flashpoint Kraftstoffe vorteilhaft sein, weil die ottomotorische Verbrennung prinzipbedingt deutlich weniger Luftschadstoffe produziert.

Auf dem Weg hin zum klimaneutral betriebenen Schiff verbreitet sich in der Schifffahrt zunehmend ein neuer Motortyp, der die Eigenschaften von Diesel- und Ottomotoren kombiniert: der mittelschnell laufende Dual-Fuel Schiffsmotor. Diese Motoren werden an Bord als Hautantriebsanlagen und/oder als Hilfsanlagen eingesetzt und sind so konstruiert, dass sie sowohl als Dieselmotor mit Dieselkraftstoff als auch als Ottomotor mit Low-Flashpoint Kraftstoffen arbeiten können. Im Otto-Betrieb erfolgt die Zündung des mit Hilfe eines sogenannten Pilotstrahls aus einem Dieselkraftstoff. Ein Wechsel der Betriebsart ist jederzeit möglich. Der derzeit gängigste Low-Flashpoint Kraftstoff ist Erdgas, das in der Regel in Form von LNG an Bord gelagert wird. Auf dem Weg zu klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen wird sich dieser Motortyp weiter verbreiten, da die am meisten diskutierten alternativen Schiffskraftstoffe – synthetisches Methanol und synthetisches Ammoniak – Low-Flashpoint Kraftstoffe sind.

Motorprüfstand MAN 1L32/40

Unser Schiffsmotorenprüfstand ist ein mittelschnell laufender Dual-Fuel Schiffsmotor basierend auf der Baureihe 32/40 von MAN. Der ursprünglich als reiner Dieselmotor ausgeführte Einzylinder wurde in den 2010ern für den Gasbetrieb mit LNG (Liquefied Natural Gas = Flüssigerdgas) aufgerüstet. Die komplette Gasanlage wurde nach den in der internationalen Schifffahrt verbindlichen Vorschriften des IGF-Codes ausgelegt. Dieselkraftstoff wird über ein Common-Rail-System, Gas über eine Saugrohreinblasung zugeführt. Die wichtigsten Motorparameter sowie die Nennbetriebsparameter im Gasbetrieb sind in den unten stehenden Tabellen aufgeführt.

Zusätzlich zum Spritzöl aus dem Kurbelwellengehäuse verfügt der Motor über ein dediziertes Zylinderschmiersystem, das deaktiviert werden kann. Bei Aktivierung wird Schmieröl in den Zylinder zwischen die Kolbenringe eingespritzt, während sich der Kolben in der Nähe des unteren Totpunkts befindet.

Ladeluftdruck und Abgasgegendruck können unabhängig voneinander geregelt werden. Dadurch können verschiedene Turboladergeometrien simuliert werden.

Der Motorprüfstand ist mit umfangreicher Messtechnik ausgestattet und hat sich in zahlreichen Forschungsvorhaben bewährt. Eine neu entwickelte optische Schmierfilmdickenmessung nutzt das Prinzip der lichtinduzierten Fluoreszenz (LIF) und versetzt uns in die Lage, die Ölfilmdicke auf der Laufbuchsenwand in sehr hoher zeitlicher Auflösung während des Betriebs zu messen. Diese Messung ist ein Alleinstellungsmerkmal unseres Prüfstands.

MAN 1L32/40
Viertakt Duel-Fuel Schiffsmotorenprüfstand (Typ MAN 1L 32/40) mit Gasanlage

Unsere Forschung an diesem Prüfstand beschäftigt sich mit Themen rund um den Betrieb mit Low-Flashpoint Kraftstoffen. Eine betriebliche Randbedingung, die nur im Ottobetrieb auftaucht ist Motorklopfen. Bisherige Fragestellungen waren unter anderem die Erweiterung des Motorkennfelds im Teillastbetrieb, Emissionsanalysen, Wirkungsgradsteigerung sowie der Umgang mit unterschiedlichen Kraftstoffqualitäten. Außerdem haben wir umfangreiche Untersuchungen zur Zylinderschmierung und deren Zusammenhang mit Ölemissionen durchgeführt.

In Zukunft soll der Prüfstand auch mit Methanol betrieben werden können. Synthetisch hergestelltes Methanol ist aus unserer Sicht der zukünftig wichtigste Kraftstoff der internationalen Seeschifffahrt.

Die Forschung an dem Schiffsmotorenprüfstand wird unterstützt durch Simulationen. Mit der AVL List GmbH haben wir hierfür einen starken Partner, der uns im Rahmen des AVL AST University Partnership Programm seine Software zur Verfügung stellt.

Die untenstehende Abbildung zeigt schematisch den Aufbau des Prüfstandes.

 


[1] Kraftstoffe mit einem Flammpunkt von weniger als 60°C laut IGF Code - International Code of Safety for Ships Using Gases or Other Low-Flashpoint Fuels - Part A – 2.2.28 (https://www.imorules.com/GUID-8F1C7A20-E399-4D7F-BB38-0A09DF149FF7.html)

Eigenschaften des Schiffsmotorenprüfstands

Parameter Wert
Motortyp Mittelschnell laufender Dual-Fuel Viertakt Schiffsmotor
Gasbetrieb Otto-Saugrohreinblasung, Pilotstrahlzündung
Hauptkraftstoff LNG/CNG
Pilot / Zweitkraftstoff Diesel, via Common-Rail-System bei 1600 bar
Zylinderzahl 1
Bohrung 320 mm
Hub 400 mm
Hub-zu-Bohrung 1,25
Verdichtungsverhältnis 12
Kolbenringe 2x Kompressionsring, 1x Ölabstreifring
Schmiersystem Trockensumpfschmierung, ca. 1400 Liter
Aufladung Variabel (Schraubenverdichter)
Abgasgegendruck Variabel (Stellventile nach Abgassammelbehälter)

Betriebsparameter des Schiffsmotorenprüfstands im Nennbetrieb

Nennparameter im Gasbetrieb Einheit Wert
Motordrehzahl U/min 750
Mittlere Kolbengeschwindigkeit m/s 10
Leistung kW 372
Nutzmitteldruck bar 18,5
Drehmoment an Wasserwirbelbremse kNm 4,7
Ladeluftdruck bara 4,2

Ansprechpartner

Baptiste Hochfellner
Baptiste Hochfellner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
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