Die Bedeutung des Internets für gesellschaftliche Teilhabe - am Beispiel alltäglicher Praktiken Erwerbsloser
- Leitung: Prof. Dr. Gabriele Winker
- Durchführung: Kathrin Englert, M.A., Dipl.-Soz. Do.Gerbig, Dipl.Soz. Betje Schwarz, Dipl.-Ing. Wibke Derboven, Dr. Tanja Carstensen
- Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
- Laufzeit: 3/2009-3/2011
Ziele und Forschungsfragen
Das Forschungsprojekt untersucht die Bedeutung des Internets für gesellschaftliche Teilhabe am Beispiel von Erwerblosen. Im Zentrum stehen dabei die alltäglichen Praktiken im Umgang mit dem Internet, die hinsichtlich der vier Teilhabeformen gesellschaftliche Arbeit, soziale Nahbeziehungen, Rechte und Kultur untersucht werden. Die Praktiken hängen ab von der Nutzungsautonomie, der Medienkompetenz und der Nutzungsvielfalt. Ziel der Analyse ist eine Typenbildung der unterschiedlichen Grade und Ausprägungen von Teilhabe. Der Analyse liegt das techniksoziologische Konzept der Ko-Materialisierung (Winker 2005) als theoretische Perspektive zugrunde. Internet und Subjekt werden demnach nicht als Fakten behandelt, sondern es wird davon ausgegangen, dass Internet und Subjekt in Relation zueinander konstruiert werden. Die zentrale Fragestellung des Projekts lautet:
Welche Bedeutung hat das Internet für die gesellschaftliche Teilhabe Erwerbsloser (im Sinne der vier Teilhabeformen Arbeit, soziale Nahbeziehungen, Rechte, Kultur)?
Die Auswertung wird von Arbeitshypothesen geleitet. So gehen wir davon aus, dass die Praktiken Erwerbsloser in Bezug auf ihre Nutzungsautonomie des Internets sehr eingeschränkt sind, dass Erwerbslose also insbesondere über geringe materielle Ressourcen und eine schlechte oder nicht vorhandene Technikausstattung verfügen. Hinsichtlich der Medienkompetenz vermuten wir eine große Bandbreite. Auch ist zu vermuten, dass - hinsichtlich der Nutzungsvielfalt - viele Informationen für Erwerbslose nur schwer zu finden und untereinander schlecht vernetzt sind. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Angebote des Internets nur sehr zurückhaltend genutzt werden.
Gleichzeitig bietet der Umgang mit dem Internet allerdings die Möglichkeit, so vermuten wir, den Alltag ohne Erwerbsarbeit zumindest zum Teil etwas zu strukturieren, Zeit "sinnvoll" zu nutzen und sich somit als tätiges, aktives Subjekt zu konstruieren. Aufgrund dieser Möglichkeiten, das Internet als sinnvoll und wichtig zu definieren, sowie aufgrund der Potenziale des Internets für gesellschaftliche Teilhabe kann der Umgang mit dem Internet trotz eher ungünstiger Nutzungsbedingungen eine zentrale Bedeutung im Alltag Erwerbsloser bekommen. Insbesondere ist zu vermuten, dass gerade die interaktiven Möglichkeiten des Internets von Erwerbslosen anders, nämlich wichtiger, bewertet werden als von erwerbstätigen Individuen, da bei Erwerbslosen die Möglichkeit des Austauschs während der Erwerbsarbeit entfällt und daher der Austausch über das Internet umso wichtiger wird. Die Frage ist dann, unter welchen Bedingungen das Internet trotz Einschränkungen in der Nutzungsautonomie Teilhabe ermöglicht und unter welchen nicht. Hierbei wird auch zu prüfen sein, inwiefern Teilhabe auch durch "Achsen der Differenz" (Knapp/Wetterer 2003) strukturiert sind, die mit den Kategorien Geschlecht, race und Klasse sowie z.B. auch Alter gefasst werden. Diese Kategorien werden während der Erhebung und Auswertung als intersektional, d.h. miteinander verwoben (Degele/Winker 2007) behandelt und begleitend mitgeführt, stellen aber nicht den Hauptfokus dar.
Differenziert nach den vier Grundformen von Teilhabe nach Bartelheimer (2005: 91f) ergeben sich im Detail Forschungsfragen wie:
- Inwiefern wird das Internet auf der Ebene der gesellschaftlichen Arbeit als zusätzliche Quelle für Stellenangebote oder Informationen zum Bereich Arbeit genutzt?
- Wird der Verlust der Gelegenheitsstrukturen sozialer Nahbeziehungen durch interaktive Kommunikationsformen im Internet "kompensiert"?
- Ist das Internet als Informationsmedium zur Aneignung von Expertenwissen, als Mittel für politisches Handeln und Empowerment auf der Ebene der Teilhabeform der Rechte hilfreich?
- Wird das Internet auf der Ebene der Teilhabeform Kultur für die eigene Bildung genutzt und darüber hinaus auch als Mittel zur Alltagsstrukturierung eingesetzt?
Das Forschungsvorhaben wird anhand dreier Arbeitspakete verfolgt:
- Arbeitspaket I: Episoden von Teilhabe und Ausgrenzung im Alltag Erwerbsloser
- Arbeitspaket II: Praktiken im konkreten Umgang mit dem Internet
- Arbeitspaket III: Typenbildung