Ursachen und Triebkräfte für das Aufkommen populärwissenschaftlicher Literaturformen sind im Zeitalter der Aufklärung, im 18. Jahrhundert, zu suchen. (3) Im Laufe des 19. Jahrhunderts vergrösserte sich die Bedeutung von Wissenschaft und Technik und damit auch die von Chemie und die der sich entwickelnder chemischen Industrie erheblich. Als Folge dieses Einzuges von Wissenschaft und Technik in den Alltag wurde die Nachfrage nach Informationen über diese immer grösser (Neugier). Dabei diente und dient die Popularisierung neben der Information über Forschungsresultate auch der öffentlichen Rechtfertigung von Wissenschaft und Technik. (4) Konnte die Populärwissenschaft im 18. Jahrhundert noch auf der Höhe der parallelen Forschung sein, wurde im 19. und 20. Jahrhundert die Kluft zwischen Wissenschaft und Populärwissenschaft immer grösser und spiegelte damit auch die Kluft zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit wider.
Viele Ursachen tragen zu diesem betrüblichen Stand der Dinge bei. Bis zu einem gewissen Grade ist die tatsächliche Trennung von Naturwissenschaft und Kultur paradoxerweise der Einführung einer wissenschaftlichen Ausbildung zuzuschreiben. Die Naturwissenschaft hat sozusagen ihren Amateurstatus verloren und damit einen Grossteil des öffentlichen Interesses. Niemand braucht über naturwissenschaftliche Dinge nachzudenken; es gibt immer Leute, die etwas davon verstehen. Die schnelle Entwicklung der Naturwissenschaft und die Vielfalt der naturwissenschaftlichen Entdeckungen haben eine die Allgemeinheit verwirrende Wirkung; sie wird unterstützt durch die Spezialisierung der Naturwissenschaftler selbst und jenes Märchen, das zunehmend Glauben findet, dass die Zeit lange vorbei sei, da jeder denkende Mensch mit Erfolg mehr als einen kleinen Bruchteil menschlichen Wissens erfassen, geschweige denn beanspruchen könne, alles zu überblicken. Tatsächlich spiegelt dieser Glaube nur die Tatsache wider, dass die Methoden der Darlegungen und des Austauschs in der Naturwissenschaft mit dem Fortschritt der Entdeckungen nicht Schritt gehalten haben. Ein gut durchdachtes System der wissenschaftlichen eröffentlichung... müsste es jedem Menschen ermöglichen, sich ein allgemeines Bild vom Gesamtgebiet der Naturwissenschaft zu machen, das zugleich so detailliert ist, dass er die Bedeutung von Entwicklungen auf jedem einzelnen Teilgebiet erfassen kann. Im Augenblick stehen dem die Unzulässigkeit der naturwissenschaftlichen Fachsprachen und die Anarchie auf dem Gebiet der wissenschftlichen Veröffentlichungen entgegen." (5)
Diese 1939 veröffentlichten Zeilen sind auch heute aktuell. (6) Bernal glaubte nicht, dass die populärwissenschaftliche Literatur seiner Zeit einen Beitrag zur Verbreitung naturwissenschaftlichen Wissens leisten könne, wenn er schrieb:
"Bei weitem das schlechteste sind populärwissenschaftliche Bücher. Sie umfassen langweilige und im allgemeinen umfängliche Kompendien des Wissens, die vermutlich um des Gewinnes willen, den sie dem Verleger bringen, veröffentlicht werden, Zusammenstellungen neüster Arbeiten, von naturwissenschaftlichen Dilettanten völlig missverstanden und schauderhaft entstellt, und schliesslich weise Reden der Prominenz des Faches als Bestseller." (7)
Trotz dieser hinsichtlich populärwissenschaftlicher Literatur negativen Äusserungen ist Bernal zuzustimmen, wenn er bemerkt:
"Wissenschaft kann in populärer Form dargeboten werden, ohne dass sie an Exaktheit verliert; sie wird wesentlich an Bedeutung gewinnen, wenn sie zu allgemeinmenschlichen Bedürfnissen und Bestrebungen in Beziehung gebracht wird." (8)