Forscher der TUHH, des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) und der Universität Hamburg kreieren revolutionäre Materialien
In Soltau diskutieren die Experten aus dem Sonderforschungsbereich 986 jetzt erste Forschungsergebnisse
(Quelle: Pressemeldung der TUHH)
Kratzfeste und zugleich leichte Gehäuse für Smartphones und Laptops; ultraleichte und dennoch hochstabile Flugzeugflügel, Turbinenbeschichtungen, die extreme Hitze aushalten; Photovoltaik-Systeme, die aus Abwärme effizient Strom erzeugen. All diesen Anwendungen ist eines gemein: Sie lassen sich mit den heutigen Materialien kaum oder gar nicht realisieren. Deshalb arbeiten seit einem Jahr die Experten des Sonderforschungsbereichs „SFB 986: Maßgeschneiderte Multiskalige Materialsysteme – M3“ an den Grundlagen für eine neue Gattung von Werkstoffen und an ihrem anspruchsvollen Ziel - der Entwicklung völlig neuartiger Werkstoffe und Bauteile quasi am Reißbrett. Nun kommt der SFB 986 in Soltau zu seiner ersten internen Klausurtagung zusammen.
Eine Bestandsaufnahme sei die Tagung, so Prof. Dr. Gerold Schneider, Leiter des TUHH-Instituts Keramische Hochleistungswerkstoffe und der Sprecher des SFB. "Dass unsere einzelnen Projekte bereits hervorragend zusammen arbeiten ist keine Selbstverständlichkeit und freut mich ganz besonders. Die Klausurtagung erfasst nun ein erstes Gesamtbild." Auch die bereits erschienenen Publikationen in Fachzeitschriften zeigten, dass die Vernetzung gelänge. Schneider: "In den nächsten Monaten stehen viele weitere Veröffentlichungen an. Allerdings stecken unsere neuartigen Werkstoffe noch in den Kinderschuhen. Der SFB 986 betreibt Grundlagenforschung und wir stehen noch am Anfang. Andererseits sind erste Patente geschrieben und ich bin zuversichtlich, dass es bis zur hoffentlich dritten Förderperiode in acht Jahren Transferprojekte mit der Industrie geben wird."
In Soltau präsentieren die Mitarbeiter der 20 beteiligten Projekte ihre im vergangenen Jahr gewonnenen Daten und methodischen Fortschritte im Bereich der „maßgeschneiderten multiskaligen Materialsysteme“. Die etwa 80 Forscher der TUHH, des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) und der Universität Hamburg verbinden dabei Fragestellungen und Methoden aus Physik, Chemie, Materialwissenschaft, Werkstofftechnik und Verfahrenstechnik, um in diesem interdisziplinären Umfeld Materialien mit ganz bestimmten Eigenschaften zu kreieren. Im SFB 986 gehen dazu experimentelle Untersuchungen und computergestütztes Materialdesign Hand in Hand.
Die gesamte Bandbreite der wissenschaftlichen Diskussionen in Soltau spiegeln die drei Projektbereiche wieder, in die sich der SFB 986 gliedert:
- Die Experten des Bereichs A untersuchen „quasi-selbstähnliche Strukturen mit multifunktionalen Eigenschaften“ – etwa jene mit Polymeren umhüllten Nanokeramiken nach Vorbild von Hartgeweben wie Zahnschmelzes oder Perlmutt. Die neuen Verbundwerkstoffe verfügen über eine hohe Schadenstoleranz. Von großem Vorteil ist zudem, dass die Materialien bei Temperaturen unter 200°C hergestellt werden können und damit das Verfahren eine grüne, umweltschonende Technologie darstellt.
- Der Bereich B trägt den Titel „nanostrukturierte mehrphasige Materialsysteme“. Hier erforschen die Wissenschaftler neuartige Materialien auf der Basis von Kohlenstoff-Geflechten sowie schwammähnlichen Metallstrukturen (s. Abbildung). Diese haben bei einem sehr geringen spezifischen Gewicht eine hohe Festigkeit und eignen sich besonders für mobile Anwendungen, zum Beispiel im Flugzeugbau oder für Rotorblätter von Windkraftanlagen. Risse in der Kunststoffmatrix lassen sich zudem vermeiden, wenn dem Kunststoff winzige, extrem belastbare Kohlenstoffnanoröhrchen beigegeben werden. Dadurch erhöht sich die Lebensdauer der Bauteile enorm. Auch verbessern Kohlenstoffnanoröhrchen die thermischen und elektrischen Eigenschaften von Kunststoffen.
- Der Bereich C befasst sich mit „Materialsystemen für die Photonik bei hohen Temperaturen“. Dabei geht es um neuartige Konzepte für Werkstoffe, die auf besondere Weise mit Hitzestrahlung interagieren und extremen Belastungen standhalten sollen. Das gilt für Gasturbinen, Verbrennungsmaschinen und eine Reihe industrieller Prozesse, die bei sehr hohen Temperaturen von über 1000°C arbeiten. Dadurch entstehen außergewöhnliche Herausforderungen an die Stabilität von kritischen Komponenten wie zum Beispiel Turbinenschaufeln.
Der SFB 986 läuft in der ersten Förderphase vom 01.07.2012 bis 30.06.2016 und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit fast 9 Millionen Euro gefördert.