Überblick über den Projektbereich C

Allgemeines

Ob in der Brennkammer eines Kraftwerks oder im Triebwerk eines Passagierjets – in der Technik finden viele wichtige Prozesse bei Temperaturen jenseits der 1000 Grad statt. Dazu braucht es Werkstoffe, die neben ihrer spezifischen Funktion auch noch ausgesprochenen hitzebeständig sind. Die Forscher des Bereichs C arbeiten an den Grundlagen für eine neue Generation von hitzebeständigen Materialien.

Diese neuen Werkstoffe sollen nicht nur extremen Temperaturen  standhalten können, sondern auch interessante neue Funktionen bieten, indem sie die bei diesen hohen Temperaturen vorhandene Wärmestrahlung geschickt manipulieren. Analog zur Elektronik, bei der die Informationsverarbeitung bekanntlich durch Elektronen erfolgt, sprechen die Experten bei der gezielten Licht-Manipulation von der Photonik. Sie gilt als eine der zukunftsträchtigsten Schlüsseltechnologien der kommenden Jahrzehnte.

Konkret entwickeln die Experten des SFB 986 „multiskalige“ Materialien – Werkstoffe, die auf verschiedenen Größenskalen unterschiedliche Strukturen zeigen. Solche Systeme könnten entweder Wärmestrahlung besonders gut reflektieren, etwa um als hocheffektiver Hitzeschild in einer Kraftwerksturbine eingesetzt zu werden. Oder sie könnten umgekehrt Wärmestrahlung besonders gut leiten und in eine gewünschte Richtung lenken – etwa auf eine Thermophotovoltaik-Zelle. Diese würde die Wärmestrahlung direkt in Strom umwandeln – ein alter Traum der Ingenieure.

Für thermische Kraftwerke und auch für Flugzeugtriebwerke gilt: Je höher die Temperatur in der Turbine, umso höher der Wirkungsgrad und umso effizienter das Kraftwerk bzw. der Passagierjet. Für die Turbinenschaufeln in Kraftwerken verwendet man heute meist Nickellegierungen. Damit sie nicht schmelzen, müssen sie mit Wasser gekühlt werden sowie mit einem speziellen keramischen „Hitzeschild“ beschichtet sein, der in der Regel aus Zirkonoxid besteht.

Auch die Forscher des SFB 986 nutzen Zirkonoxid als ein Grundmaterial, verfolgen aber eine neue Strategie: Statt wie üblich Zirkonoxid-Kristallite als „Bausteine“ für den Werkstoff zu verwenden, arbeiten die Experten mit winzigen identischen Kügelchen als Elementareinheit. Diese Kügelchen sind 100 Nanometer bis einige Mikrometer groß. Sie können komplett aus Zirkonoxid bestehen, aber auch einen Metallkern besitzen oder mit anderen Materialien beschichtet sein ¬– oder sogar hohl.

Ähnlich wie der Obsthändler seine Apfelsinen stapelt, lassen sich diese Kügelchen zu künstlichen Kristallen anordnen, mit einer mehr oder weniger periodischen Struktur. Auf Infrarotstrahlung – den bei hohen Temperaturen dominierenden Hitzeanteil – hat diese Struktur eine ausgeprägte Wirkung: Sie reflektiert sie ähnlich wie ein Spiegel.

Die Strategie der Wissenschaftler: Indem sie die Größe und Anordnung der Kügelchen präzise wählen, können sie die Wellenlänge, die reflektiert werden soll, genau einstellen. Kombiniert man dann mehrere dieser Strukturen miteinander, lässt sich ein breiter Wellenlängenbereich reflektieren Das Resultat wäre ein hocheffektiver Hitzeschild, mit dessen Hilfe sich die Temperatur des Gasstroms in einer Turbine deutlich erhöhen lassen könnte. Kraftwerke wären effizienter, Flugzeugtriebwerke würden Treibstoff sparen. Eine andere Möglichkeit: Ließe man die Verbrennungstemperatur unverändert, könnte die thermische Belastung der Turbinenschaufeln deutlich gesenkt werden. Das Ergebnis wäre eine größere Haltbarkeit.

Alternativ könnten die neuen Materialien aber auch dazu dienen, Wärmestrahlung hocheffizient zu übertragen. Eine interessante Anwendung dafür wäre die Thermophotovoltaik. Das sind „Solarzellen“, die Strom nicht wie gewohnt aus Sonnenlicht gewinnen, sondern aus Hitze, beispielsweise der Abwärme von Kraftwerken und Industrieanlagen. Das Problem dabei: Die Zelle sollte der Hitze nicht direkt ausgesetzt sein, dann würde sie zu ineffizient arbeiten bzw. schlicht kaputtgehen. Deshalb schaltet man eine spezielle Vorrichtung dazwischen – ein Tandem aus Absorber und Emitter. Beide sollen die Hitze möglichst effektiv in ein schmales Infrarot-Frequenzband für die Photovoltaik-Zelle konvertieren.

Günstig wäre ein extrem kleiner Abstand zwischen Absorber und Emitter – eine Distanz kürzer als 100 Nanometer, in der ein wärmeisolierendes Vakuum herrschen muss. Das ist jedoch technisch nur schwer zu realisieren. Deshalb versuchen es die Experten mit einer neuartigen Gattung von Materialien, den sog. hyperbolisch-optischen Materialien. Dank ihrer speziellen physikalischen Eigenschaften lassen sich die Abstände zwischen Absorber und Emitter auf mehrere Mikrometer vergrößern, was sich technologisch einfacher umsetzen lässt.

Geeignete Materialien wären zum Beispiel „Sandwich“-Systeme, bei denen sich nanometerfeine Lagen aus Gold und Silizium abwechseln. Mit ihrer Hilfe kann das System zwar viel Infrarotstrahlung übertragen, aber bei geeigneter Anordnung so gut wie keine andere Wärme. Dadurch würde die Photovoltaikzelle genau mit den „richtigen“ Photonen gefüttert, könnte also mit hoher Effizienz Strom erzeugen, ohne sich dabei zu stark aufzuheizen.

Die Forschungsfragen

  • Wie lassen sich Hitzeschutz-Beschichtungen möglichst rissfrei herstellen? Auf welche Weise kann man sie stabilisieren und bei welchen Temperaturen versagen sie?
  • Wie muss man die Schichten konstruieren, damit sie Wärmestrahlung reflektieren können so wie ein Badezimmerspiegel das Licht?
  • Welche Materialsysteme können für den Einsatz in der Thermophotovoltaik Wärmestrahlung am effektivsten übertragen?
  • Wie kann die Wärmeleitung dabei unterdrückt werden?
  • Wie temperaturstabil sind die Anordnungen?

Methoden und Instrumente

Ein vielversprechender Kandidat für neuartige Hitzeschutz-Beschichtungen sind sogenannte invertierte Strukturen aus Zirkonoxid. Dabei werden die Räume zwischen aufeinandergestapelten Kügelchen befüllt und diese Kügelchen nachträglich entfernt. Solche Strukturen sind sehr leicht und nur über dünne Stege miteinander verbunden. Dadurch besitzen sie eine geringe Wärmeleitfähigkeit – günstig für die Funktion.

Um diese Hohlkugeln herzustellen, verwenden die Forscher einen raffinierten Prozess: Als Ausgangspunkt dienen winzige Kunststoffkugeln, dispergiert in einer Flüssigkeit. In diese Lösung wird ein Substrat getaucht. Verdampft die Flüssigkeit, bildet sich auf dem Substrat eine regelmäßige, hauchdünne Lage aus Kunststoffkügelchen.
 
Im nächsten Schritt beschichten die Forscher die Kugeln mit einer einzigen Moleküllage aus einer Zirkonoxid-Verbindung. Dieser Prozess lässt sich mehrfach wiederholen, bis etwa zehn identische Lagen aus Zirkonoxid entstanden sind. Dann erhitzen sie das Ganze. Der Kunststoff verdampft, übrig bleibt eine hochgeordnete Lage aus dünnwandigen Zirkonoxid-Schalen, also aus der invertierten Struktur. Aufgrund der dreidimensionalen periodischen Anordnung genügt diese Schicht, um einen bestimmten Spektralbereich der Wärmestrahlung effizient zu reflektieren.

Durch denselben Prozess lassen sich nun Strukturen mit jeweils größeren oder kleineren Kugeln ebenfalls mit Zirkonoxid-Schichten befüllen und anschließend durch Erhitzen invertieren. Jede dieser Schichten reflektiert einen anderen Spektralbereich. Das Aufeinanderstapeln verschiedener Schichten zur hierarchischen Gesamtstruktur erlaubt es dann, einen breiten Spektralbereich zu reflektieren.

Für den Einsatz in der Thermophotovoltaik werden Schichtsysteme aus hauchdünnen Lagen benötigt, beispielsweise aus Gold und Silizium. Mit speziellen Vakuum-Aufdampfverfahren gelingt es heute, solche Schichtsysteme extrem präzise zu fertigen. So messen die Siliziumschichten gerade mal 40 Nanometer, und die sie trennenden Goldlagen sind sogar nur fünf Nanometer dick.

Alternativ dazu können Anordnungen von winzigen metallischen Stäben verwendet werden. Sie sind nur wenige dutzend Nanometer dick und in Membranen eingebettet. Auch diese Systeme weisen die gewünschten hyperbolisch-optischen Eigenschaften auf.