C2 Adsorption von organischen Komponenten aus Fluidgemischen auf funktionalisierten mesoporösen Materialen: Experimente und Simulation
Sachbearbeitung:
Isabella Jung, M.Sc., Institut für Thermische Verfahrenstechnik
Betreuung:
Prof. Dr.-Ing. Irina Smirnova, Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Stefan Heinrich
Zielsetzung:
Ziel dieser Arbeit ist die erstmalige, quantitative Charakterisierung der Oberflächenstruktur von nativen und beschichteten Biopolymeren mittels inverser, überkritischer Fluidchromatographie (SFC) zur Optimierung von Beladungs- und Freisetzungsprozessen sensitiver Stoffe.
- Herstellung und Analyse von hochporösen Biopolymer-Aerogelpartikeln im Mikrometerbereich.
- Modifikation der hydrophilen Aerogeloberfläche durch Nachbearbeitung mittels kalter Plasmapolymerisation.
- Experimentelle Charakterisierung der Biopolymersubstrate durch chromatograpische und thermodynamische Parameter mittels SFC.
- Ermittlung von Retentionsparametern unterschiedlich polarer Substanzen aus dem Lebensmittel- und Pharamsektor auf den Biopolymer-Aerogelen.
Abbildung 1: Probenpräparation und chromatographische Analyse in der SFC.
- Modellbasierte Beschreibung der stattfindenden Wechselwirkungen zwischen stationärer Aerogelphase und organischen Substanzen mittels eines semi-empirischen Sorptionsmodells (kurz: LSER-Modell).
- Interpretation der chemischen Beiträge auf der Aerogeloberfläche.
- Vorhersage des Adsorptionsverhaltens von noch nicht untersuchten org. Substanzen auf den Biopolymer-Aerogelen.
- Simulation des Adsorptionsverhalten mittels einem Zellulären Automatenmodells in Kombination mit der Lattice-Boltzmann Theorie.
Methoden und Arbeitsprogramm:
- Herstellung mesoporöser Aerogelpartikel:
Abbildung 2: Herstellung der Aerogelsubstrate.
- Die stationären Phasen aus unterschiedlichen Biopolymerpartikeln werden durch unterschiedliche Herstellungsverfahren realisiert: Gelpartikelherstellung mittels Spray- (Zweistoffdüse) und Nassmahlverfahren (Kolloidmühle).
Abbildung 3: Methoden der Mikropartikelherstellung.
- Im Anschluss an die Synthese der Biopolymergele erfolgt ein einstufiger Lösungsmittelaustausch mit Ethanol (99.8 %). Die Alkogelpartikel werden danach einer überkritischen Trocknung bei 120 bar und 60 °C in einem Hochdruckautoklaven unterzogen.
Abbildung 4: Schematische Darstellung des Plasmapolymerisationsprozesses zur Oberflächenmodifikation.
- Eine nachfolgende Kaltplasmapolymerisation mittels C4F8 und PFAC-6/PFAC-8 Mononeren ermöglicht eine kontrollierbare Hydrophobierung der polaren Aerogeloberfläche.
Charakterisierung der Aerogeleigenschaften
Die hergestellten Hydro- und Aerogelpartikel werden eingehend hinsichtlich ihrer morphologischen und strukturellen Eigenschaften beurteilt:
- Analyse der Hydrogel-Partikelgröße sund -form (Lichtmikroskop).
- Bestimmung der Skelettdichte der pulverförmigen Biopolymeraerogele (Heliumpyknometer).
- Ermittlung der Schüttdichte des Aerogelpulvers.
- Bestimmung der spezifischen Oberfläche und der Poreneigenschaften (Stickstofftiefentemperaturadsorption).
- Größen- Formanalyse der Aerogelpartikel (Camsizer XT).
- Optische Analyse der Partikel- und Oberflächeneigenschaften (Rasterelektronenmikroskop).
- Experimentelle Hydrophobilitätsermittlung der plasmabehandelten Aerogele (Kontaktwinkelmessung).
- Bewertung der Aerogelposition in der chromatographischen Säule nach dem Füllvorgang (µ-CT-Messungen).
Beschreibung des Adsorptionverhaltens:
- Bestimmung der Retentionsparameter mittels SFC und Berechnung thermodynamischer Parameter (z.B. Adsortpionsenthalpie).
- Semi-empirisches LSER-Modell: Eine multiple Regressionsanalyse wurde für die Untersuchung von Zusammenhängen bzw. Abhängigkeiten zwischen den unterschiedlichen Variablen wie Retentionsfaktor und den unterschiedlichen LSER-Deskriptoren (Deskriptoren der gelösten Stoffe) des Adsorptionsvorganges herangezogen, welche auf die Stärke und Relevanz verschiedener stattfindender Wechselwirkungen übertragen werden können.
- Zelluläre Automaten- und Lattice-Boltzmann-Simulation: Das Modell beinhaltet die getrennte Simulation zweier Prozesse: Hydrodynamik der kontinuierlichen Kollisionserkennung zwischen Analyt-Analyt und Analyt-Aerogel (Sorptionsereignis). Die Simulation der Hydrodynamik wurde mit der Lattice-Boltzmann-Methode (LBM) durchgeführt; die Sorption wurde mit dem ursprünglichen Zellulären-Automatenmodell berechnet.
Abbildung 4: 2D-Darstellung des modellierten Rechengitters einer chromatographischen aerogelgefüllten Säule und Simulation der Säulenströmung von CO2.
Ergebnisse:
Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene Biopolymer-Aerogele in Partikelform hergestellt. Hierbei stand die Entwicklung von steuerbaren Oberflächeneigenschaften durch Änderung der physikalischen und strukturellen Eigenschaften vor und nach der Aerogelproduktion im Fokus. Biopolymere aus den Polysacchariden Alginat, Cellulose und Chitosan sowie den Proteinedukten Molkeproteinisolat (WPI) und Kartoffelproteinisolat (PPI) wurden verwendet und mit den vorgestellten Methoden hergestellt und charakterisiert. Diese Methoden ermöglichen die Herstellung von Aerogelmikropartikeln mit Partikelgrößen zwischen 38-109 µm und mit Sphärizitätswerten im Bereich von 0.6-0.9. Auf mikrostruktureller Ebene konnten hohe spezifische Oberflächen im Bereich von 355-479 m2/g erreicht werden. Alginataerogele wiesen die höchsten spezifischen Oberflächen (455 m2/g) und Mesoporenvolumina unter den Polysacchariden auf.
Darüber hinaus wurde eine neuartige Postmodifikationsmethode mittels kalter Plasmapolymerisation von Octofluorocyclobutan-Monomeren (C4F8) entwickelt, um eine Hydrophobierung der hydrophilen Biopolymerstrukturen (am Beispiel von Alginat) unter gleichzeitigem Erhalt der Porenstruktur zu bewirken. Eine mikroskopische Untersuchung der behandelten Alginat-Aerogelpartikel zeigte eine geringe Reduktion der spezifischen Oberfläche im Bereich (355-408 m2/g). Es kann festgehalten werden, dass die kalte Plasmapolymerisation eine erfolgreiche Nachbehandlungsmethode für hydrophile Aerogele darstellt. Die Optimierung hinsichtlich der Stabilität gegen Flüssigkeiten eröffnet ein weiteres Feld an industriellen Anwendungen für Biopolymeraerogele außerhalb des Lebensmittelsektors (z.B. Wärmedämmung).
Im Umkehrphasen-Betrieb bot die SFC die Möglichkeit der Charakterisierung der verwendeten nativen und beschichteten Säulenmaterialien aus Biopolymeraerogelen (stationäre Phase), indem das entstandene Interaktionsmuster der Testanalyten in Zusammenhang mit der Oberflächenstruktur der stationären Phase gebracht wurde. Vor der Analyse im Gerät wurden die Säulen in einem etablierten Packprozess mit Aerogelpartikeln befüllt. Eine Interpretation der stattfindenden Wechselwirkungen zwischen mobiler und stationärer Phase konnte daraufhin anhand der ermittelten experimentellen chromatographischen Retentionsparameter (z.B. Totzeit, Retentionszeit und -faktor) sowie berechneter thermodynamischer Parameter wie der Adsorptionsenthalpie erfolgen. Im Hinblick auf die ermittelten Retentionsparameter kann zusamenfassend festgehalten werden, dass allgemein Testsubstanzen mit einer oder mehr Carboxylgruppen (-COOH) eine mittlere bis verlängerte Retentionszeiten aufwiesen. Die Kombination von individuell teilweise weniger polaren Gruppen wie -COOH mit einer Carbonyl- (-CO) oder einer Hydroxygruppe (-OH) konnte das Retentionsverhalten hin zu hohen Verweilzeiten auf Alginat-Aerogel verschieben. Für alle hergestellten Säulen konnte ein Adsorptionsmaximum bei 55 – 60 °C beobachtet werden, was mit dem Maximum des Wärmeausdehnungskoeffizienten sowie der Dichte von CO2 im verwendeten Temperaturbereich einhergeht.
Die Verwendung von empirischen linearen Solvationsenergiebeziehungen ermöglichte eine Einordnung der Arten und Stärke der chemischen Wechselwirkungen ausgehend vom ermittelten Retentionsfaktor. Durch die Verwendung dieser Parameter konnten Eigenschaften wie Polarisierbarkeit, Dipolarität, Fähigkeit zur Abgabe und Aufnahme von Wasserstoffbrückenbindungen (H-Donor/H-Akzeptor) und die Molekülgröße bzw. Hydrophobizität in die Betrachtung der Oberflächenfunktionalität zwischen Analyten und Material einbezogen werden. Der Vergleich der Systemkonstanten wurde primär an nativen und beschichteten Alginataerogelpartikeln aufgezeigt: Für native Aerogelpartikel konnten starke Wechselwirkungen der Konstanten b (H-Donor) und s (Dipolarität) beobachtet werden. Im Vergleich dazu zeigten alle plasmabehandelten Aerogele eine Erhöhung der Systemkonstanten v, was u.a. auf eine Erhöhung des Kohlenstoffanteils durch die Plasmabehandlung auf der Oberfläche schließen ließ.
Zur Verifizierung der gewonnenen Erkenntnisse wurde eine Simulation des Adsorptionsverhaltens organischer Substanzen auf einer aerogelgefüllten chromatographischen Säule durchgeführt. Zur Umsetzung der Simulation wurde ein zelluläres Automatenmodell (CA) kombiniert mit der Lattice-Boltzmann Methode (LBM) herangezogen. Mittels der LBM-Theorie konnte eine mit Aerogelpartikeln gepackte Chromatographiesäule nachgestellt werden. Durch die Variation der Parameter Säulenporosität, Durchflussgeschwindigkeit sowie Ad- und Desorptionsverhältnis konnten Trends des Adsorptionsverhaltens im Modell berechnet werden. Beispielsweise zeigte eine Abnhame der Porosität, längere Verweilzeiten in der Säule. Dies entspricht einem auch in der Realität zu erwartenden Trend.
Literatur:
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