02/2023 spektrum DAS MAGAZIN DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT HAMBURG DIE LETZTE MEILE Pakete und Briefe CO2-frei zustellen SAUBERES TRINKWASSER Sichere Versorgung für Europa KLIMAFORSCHUNG Messtechnik für genaue Vorhersagen

Die Post kommt Von diesen elektrisch betriebenen Postlastenrädern sollen bald mehrere in Hamburg herumfahren. Für die Recherche zum Thema „CO2-freie letzte Meile“ konnte sich Autorin Lena Bender am Postamt in der Münzstraße eines genauer angucken (Seiten 20–25). IMPRESSUM spektrum – Magazin der Technischen Universität Hamburg Herausgeber Präsident der Technischen Universität Hamburg Chefredaktion Elke Schulze Redaktion Lena Bender, Frank Grotelüschen, Vera Lindenlaub Artdirektion und Layout Herr Fritz Kommunikationsdesign Kontakt Redaktion spektrum Am Schwarzenberg-Campus 1 21073 Hamburg spektrum@tuhh.de www.tuhh-spektrum.de Druck Druckerei Siepmann GmbH 22761 Hamburg Anzeigen MME Marquardt 78052 Villingen-Schwenningen Tel. 07721 3171 info@mme-marquardt.de Auflage 5.000 g r u b m a H U T , t s a T a r o d a s I : s o t o F Liebe Leserinnen und Leser, der Klimawandel ist präsent: in Griechenland und Kanada brannten Wälder, Stürme, Starkregen und Überschwemmungen weltweit, auch in Europa – Ereignisse, die die Schlagzeilen prägten. Auch die Gefahr für die Umwelt durch den havarierten Autofrachter in der niederländischen Nordsee zeigten eindrück- lich, welche Aufgaben einer technischen Universität zufallen: wissenschaftlich fundierte Lösungen gegen den Klimawandel und dessen Folgen zu erforschen und entwickeln, genauso wie bei technischen Produkten und Systemen die Sicherheit und Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Deshalb möchte ich Ihnen in dieser Ausgabe des spektrum Forschende und ihre Projekte vorzustellen, die sich mit diesen Aufgaben beschäftigen. Ein europaweites Projekt beispielsweise untersucht die Möglichkeiten, wie die letzte Meile für Paket- und Brieflieferungen CO2-frei gestaltet werden kann. In Hamburg könnte dies künftig mit elektrobetriebenen Container-Lastenrädern und Booten geschehen, mit denen die Fracht zum Verbraucher transportiert wird. Lesen Sie auch, was getan werden kann, um die Trinkwasserversorgung bei langfristig stei- genden Temperaturen zu sichern und das Wasser sauber zu halten. Ein weiterer Artikel berichtet davon, wie Schiffe so konstruiert werden können, damit sie bei schwerer See ihre geladenen Container sicher an ihr Ziel transportieren können. In allen Projekten arbeiten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler engagiert an dem Auftrag, den wir uns als Universität gegeben haben: „Engineering to Face Climate Change“. Begleiten Sie uns auf dieser Reise. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre! Ihr Prof. Dr.-Ing. Andreas Timm-Giel Präsident der Technischen Universität Hamburg 0 3

Fotos: marin.nl, privat, Christian Schmid, TU Hamburg 4 4 4 0 2 8 1 8 4 8 2 0 3 2 0 5

Semesterübergreifendes Forschen in den Labors soll Spaß und Praxisanteil im Studium erhöhen Pilotversuch für „Studierendenstadt“ erfolgreich beendet ⸻ Die TU Hamburg hat ein neues Konzept für jahrgangsübergreifendes Lernen getestet. Ziel war es, rund 80 Studierende im Bachelorstudiengang Chemie- und Bioingenieurwesen zum Forschen semesterübergreifend zu- sammenzubringen. Studierende aus dem zweiten, vierten und sechsten Se- mester haben ein Forschungsprojekt gemeinsam bearbeitet. Sie mussten eigenverantwortlich Abläufe fürs La- bor und Zeitmanagement entwickeln. Ziel der „Studierendenstadt“ ist es, den Praxisanteil von Beginn des Studiums an zu erhöhen und fachlichen, ange- leiteten Input zu geben. So soll auch die Abbruchquote verringert werden. Studiengangsleiter Professor Johan- nes Gescher ist mit dem Projektstart zufrieden: „Ich bin glücklich über den Verlauf der Studierendenstadt. Das ist ein Leuchtturmprojekt für naturwissen- schaftliche Praktika und wir werden es immer weiter verfeinern.“ Preis für herausragende Leistungen ⸻ In diesem Jahr wurden erneut Studierende und Absolvent*innen der Technischen Universität Hamburg für ausgezeichnete wissenschaftliche Leis- tungen und soziales Engagement mit dem Karl H. Ditze Preis geehrt. An der TU Hamburg wurden mit insgesamt 6.000 Euro unter anderem Studierende mit den Deutschlandstipendien geför- dert und studentische Projekte unter- stützt. Der seit 2000 jährlich ausgelobte Karl H. Ditze Preis wird für herausragen- de Bachelor- und Masterarbeiten sowie Dissertationen und an Studierende ver- geben, die sich in besonderer Weise um die TU verdient gemacht haben. Verleihung der Karl H. Ditze-Preise 0 9

Aus dem Hörsaal in die Praxis: 20 Jahre duales Studium ⸻ Die TU Hamburg feiert das 20-jährige Bestehen des Programms „dual@TUHH“. Es wurde 2003 zusam- men mit dem Arbeitgeberverband NORDMETALL als erstes duales Stu- dienangebot an einer technischen Universität in Deutschland etabliert. Seitdem kombiniert es das ingenieur- wissenschaftliche Studium mit Praxis- phasen während der vorlesungsfreien Zeit. Über 70 Unternehmen aus Nord- deutschland nehmen an dem Studi- enprogramm teil. Das Modell wurde kürzlich als Intensivstudiengang akkre- ditiert. Das bedeutet, dass zukünftig auch die Praxisphasen mit Leistungs- punkten honoriert werden. Davon pro- fitieren bereits 75 Studierende, die zum Wintersemester 2022/23 ihr duales Stu- dium begonnen haben. TU-Vizepräsident Wolfgang Kersten, NORDMETALL-Vizepräsident Thomas Piehler und Geschäftsführer Peter Golinski, TU-Präsident Andreas Timm-Giel und Leiter der „dual“-Koordinierungsstelle Henning Haschke feiern das Jubiläum Studierende auf die Selbständigkeit vorbereiten ⸻ Alle, die sich gerne selbständig machen würden, aber noch keine zünden- de Geschäftsidee haben, können sich noch bis Ende Oktober für das Zertifikats- programm INTIE bewerben. In zwei Semestern lernen die Studierenden Fertig- keiten und Fähigkeiten über interdisziplinäre Innovation und Unternehmertum. www.startupport.de/intie/ TU-Vizepräsident Lehre Prof. Wolfgang Kersten, die Preisträger Axel Dürkop, Prof. Thorsten Kern, Prof. Kay Smarsly und Hochschulratsmitglied Walter Conrads Drei Dozenten erhalten den Lehrpreis der Stadt Hamburg ⸻ Für herausragende Lehre, in- novative Lehrmethoden und Vermitt- lungskonzepte haben 41 Hamburger Hochschullehrende den Lehrpreis der Stadt Hamburg 2022 und 2023 erhalten. Darunter waren auch Axel Dürkop, Prof. Thorsten Kern und Prof. Kay Smarsly der Technischen Univer- sität Hamburg. Die Auszeichnung wird jährlich an Lehrende der sechs staatlichen Hamburger Hochschulen vergeben und ist mit jeweils 10.000 Euro dotiert. Das Vorschlagsrecht für den Lehrpreis liegt bei den Hamburger Studierenden. www.tuhh.de/tuhh/tu-hamburg/newsroom/ weitere-events/hamburger-lehrpreis Warum warten? STARTEN! Es kann so „easy“ sein: Das moderne ISI-Zentrum für Gründung, Business und Innovation in Buchholz i.d.N. vereint verschiedene Angebote für junge Unternehmen und Start-ups unter einem Dach. Einzelbüros Coworking Seminar- und Besprechungsräume Gewerbehallen Bäckerstr. 6 21244 Buchholz Tel. 04181 - 92 36 0 isi-zentrum.de ! L M A B I F - u p I N S t a r t F U R D E B E R T R A N D & O L E H E U C H E R T • B E C R E U N T E R N E H M E R & M I E T E R K A I Z E N T R U M I S I I M

Der Mikrochip kann kleinste Lichtintensitäten messen Können Sie Krebspatienten helfen? Krebserkrankungen sind in entwi- ckelten Ländern die zweithäufigste Todesursache. Ob die eingesetzten Bestrahlungstherapien helfen, wird mit bildgebenden Verfahren über- prüft. Sie lassen sich aber meist nur in zeitlichen Abständen von mehre- ren Monaten anwenden, zwischen denen der behandelnde Arzt nicht erkennen kann, ob die Therapie wirksam ist oder nicht. Ein ein- gesetztes Implantat soll helfen, Aktivitäten des Tumors in Echtzeit zu überwachen. „Wir wollen ein invasives elektroni- sches System zur Messung von Para- metern entwickeln, die die Aktivität eines Tumors beschreiben. Die ge- messenen Daten werden telemetrisch nach außen übertragen und dann me- dizinisch ausgewertet. Die Sauerstoff- konzentration im Gewebe gibt direkte Auskunft über das Verhalten und die Entwicklung des Tumors. Durch Über- wachung des Sauerstoffgehalts mittels eines Implantats können wertvolle Daten zur Optimierung der Therapie gewonnen werden. Zur Messung der Sauerstoffkonzentration entwickeln wir hochpräzise optische Sensoren, die die Dauer und Intensität dieser Photolumineszenz, dem Nachleucht- verhalten, messen. Damit können wir den Sauerstoffgehalt im Gewebe sehr genau bestimmen. Wir brauchen dafür sehr empfindliche Sensoren, welche die geringe Lichtintensität in Form von einzelnen Photonen erfassen können. Durch Nutzung moderner Fertigungs- verfahren können Sensoren und Elekt- ronik auf Mikrochips integriert und so weit miniaturisiert werden, dass man sie implantieren kann. Auf diese Weise ist ein kontinuierliches Monitoring der Entwicklung eines Tumors möglich, was das gegenwärtige Monitoring auf der Grundlage von bildgebenden Ver- fahren und Biopsien ergänzen würde. Diese ermöglichen nämlich nur in grö- ßeren Abständen eine Einschätzung der aktuellen Aktivität über Größe und Kontur des Tumors und so kann etwa der optimale Zeitpunkt für eine Bestrahlungs- oder Chemotherapie an- gezeigt werden.“ P R O F. A N D R E A S B A H R , Leiter des Instituts für Integrierte Schaltungen (ICC) an der TU Ham- burg und sein Team um Julian Singer und Anton Geläschus forschen zusammen am Projekt „PI-O-TU Photolumineszenz-Lebensdauer- Imager für das Sauerstoff-Monitoring in Tumoren“. Das Calls-for-Transfer- Projekt (C4T) wird von der Stadt Hamburg gefördert. Bei Bestrahlung mit grünem Licht leuchtet die Folie rot nach. Daraus kann die Sauerstoffkonzentration bestimmt werden 1 3

V I S I O N A Auf seinem Laptop zeigt Prof. Nima Shokri ein Satellitenbild von Google Maps. Darin markiert: ein schnödes Stück Brach- land im Hamburger Stadtteil Moorburg, direkt gegenüber einem Gewerbegebiet. „Hier entsteht ein besonderes Labor, unser Living Lab“, erläutert der Leiter des Instituts für Geo-Hydroinformatik. „Wir werden diese Parzelle mit einer Wetterstation und jeder Menge Sensoren bestücken, etwa um herauszufinden, wie sich die Bodenqualität unter ver- schiedenen Klimabedingungen verändert.“ Das Living Lab ist Bestandteil einer neuen Initiative der TU Hamburg: Beim „Climate Informed Engineering“ werden Ingenieurinnen und Ingenieure mit den Grundlagen der Klimaforschung vertraut gemacht. Dadurch sollen sie ihre Entwürfe besser an den Klimawandel anpassen können – maßgeschneidert für einzelne Regionen. Die Geschichte beginnt im Sommer 2020: Damals kam Shokri aus Großbritannien nach Hamburg, um als Professor ein neues Institut aufzuziehen – das Institut für Geo-Hydro- informatik, angesiedelt am Studiendekanat Bauwesen der TU. Am Institut beschäftigt sich der promovierte Ingenieur mit wichtigen Zukunftsfragen: Inwieweit wirkt sich der Klimawandel auf das Grundwasser aus und wie verändert sich unsere Bodengesundheit und -sicherheit unter ver- schiedenen Klimabedingungen? „Einer der Fachleute, die mich nach meiner Ankunft in Hamburg als erstes kontak- tiert haben, war Bjorn Stevens, geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie“, erinnert sich Shokri. „Er hat mir einfach eine E-Mail geschickt, um mich willkommen zu heißen.“ Klimamodelle: Vorhersagen für 50 Jahre Diese E-Mail markierte den Start für gegenseitige Besuche. „Rasch wurde mir klar, wie exzellent Hamburg in der Kli- maforschung ist, insbesondere bei der Entwicklung von Klimamodellen“, erzählt der gebürtige Iraner. „Da lag die 1 5

V I S I O N „Es wird die erste Graduiertenschule sein, die Klimainformationen und -werkzeuge mit Technik, Wissenschaft und Bildung verbindet.“ neuartiger Windturbinen, Solarmodule oder Batteriesyste- me könnten dort Platz finden. So entwickelt ein TU-Team adaptive Nano-Materialien, mit denen sich Windräder ganz von selbst an wechselnde Wetter- und Klimaverhältnisse anpassen. Solche Hightech-Werkstoffe ließen sich auf der Moorburger Parzelle einem Langzeittest unterziehen. In den Bürgerdialog treten „Das Living Lab soll unsere Forschung unterstützen und kann den Studierenden helfen, ihre Lehrinhalte in der Praxis zu erproben“, erklärt Nima Shokri. „Zum Beispiel: Was passiert mit dem Boden, wenn ihn landwirtschaftliche Maschinen verdichten und dadurch Poren und Hohlräume verschwinden lassen? Wird das Wasser bei Starkregen noch versickern können oder werden die Äcker öfter über- schwemmt?“ Der Forscher will aber auch die Öffentlichkeit in das lebende Labor einladen: Die Menschen können sich interaktiv über die Forschung informieren und zum Bei- Entwickeln neuartige Materialien für wechselnde Wetterverhältnisse spiel die Sensoren erproben. „Vielleicht helfen sie uns auch beim Sammeln der Daten, etwa indem sie Sensoren in ihren Gärten installieren“, hofft Shokri – und spekuliert auf ein gelungenes Citizen-Science-Projekt. Und wo soll die Initiative in zehn Jahren stehen? „Ich habe einen Traum“, antwortet Nima Shokri. „In zehn Jah- ren wird die TU Hamburg die erste Adresse für alle sein, die wissen wollen, wie sich Klimainformationen in Inge- nieurprodukte einbeziehen lassen.“ Ein Ansatz, der auch geopolitische Konsequenzen verspricht: Obwohl er wenig dazu beigetragen hat, ist vor allem der globale Süden von der Klimakrise betroffen. „Eine klimabasierte Technik wird den Menschen dort helfen, sich besser vor den Folgen zu schützen“, hofft Shokri, „und damit können wir den Kampf gegen die Ungleichheit unterstützen – eines der wichtigsten Ziele der UN.“ Frank Grotelüschen Citizen-Science-Projekte sind ein Ansatz, bei dem Wissenschaftler*innen mit Bürger*innen oder anderen Ehrenamtlichen an einem Projekt nach wissenschaftlichen Standards zusammen- Nima Shokri beim Installieren einer arbeiten. Bodenmessstation 1 7

M I S S I O N Mathematik spezifische Lösungsver- fahren für die komplexen Modelle entwickelt. Sie sollen beispielsweise berechnen, welche Größen die Pipe- lines haben müssen, durch die der Wasserstoff transportiert wird, oder wie viele Lkw für den Transport ein- gesetzt werden müssen. „Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse erstellt unsere Arbeitsgruppe verschiedene Szenarien. Wir untersuchen sie und leiten daraus Handlungsempfehlun- gen für Politik und Wirtschaft ab, wie eine effiziente Bereitstellung von grünem Wasserstoff für die Luftfahrt aussehen kann“, sagt Prof. Thies. „Ge- nauso notwendig, wie neue Antriebe und Flugzeugkonzepte zu entwickeln, ist es, die entsprechende Wasserstoff- infrastruktur aufzubauen. Die größte Herausforderung wird es sein, zu wett- bewerbsfähigen Kosten zu kommen, die den Betrieb neuartiger wasserstoff- betriebener Flugzeuge ermöglichen“, führt der Experte für Lieferketten aus. Im Projekt werden insgesamt drei Ebenen betrachtet und unter- sucht: Die Forschenden loten die glo- balen Wasserstoffpotenziale für die Luftfahrt aus. Sie berechnen, ob sie im europäischen Energiesystem mit dem dazugehörigen Wirkungsbereich bis nach Afrika und dem Nahen Osten umsetzbar sind. Und schließlich be- schreiben sie ihre Ergebnisse bis zur lokalen Ebene, um zu sehen, wie ein typischer Flughafen aussehen muss. Das Verbundprojekt wird vom Bun- desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund drei Millionen Euro gefördert. Beteiligt sind die Leibniz Universität Han- nover, die Technische Universität Braunschweig, die Technische Uni- versität Clausthal, die Technische Universität München, die Techni- sche Universität Hamburg sowie ein Industriebeirat, in dem unter anderem Airbus, Deutsche Aircraft, Lufthansa, Linde, Siemens Energy und der Flughafen Hamburg ver- treten sind. Elke Schulze Weitere Informationen unter: www.hyneat.de www.tuhh.de/oscm Der Transport von Wasserstoff erfordert ein Netzwerk an Lieferketten 1 9

M I S S I O N S Stellen wir uns mal vor: Ein Elektroschiff schippert durch die Speicherstadt im Herzen von Hamburg. 15 Meter lang, vier Meter breit. Geräuschlos und elektrisch betrieben. An Bord des Schiffs befinden sich keine Touristen oder Touristinnen, die die Sehenswürdigkeiten der Hansestadt bestaunen, sondern bis zu 1.000 Pakete und Päckchen der Deutschen Post DHL. Ökologische und platzsparende Paketlieferung per Wasserstraße. Von diesem Szenario träumt Heike Flämig, Professorin am Institut für Verkehrs- planung und Logistik der TU Hamburg. Damit aus dem Traum Wirklichkeit wird, arbeitet sie gemeinsam mit ihren wissenschaftlichen Mitarbeitenden Katharina Beck und Christopher Rahlf im Projekt „DECARBOMILE – Five pil- lars to DECARBOnize the last MILE logistics“ mit Projekt- partnern aus ganz Europa an einer umweltfreundlichen Paketzustellung in Hamburg. Ein Blick auf den CO2-Ausstoß im Transportwesen zeigt, dass emissionsfreie Lieferungen ein wichtiger Bau- stein auf dem Weg zur Klimaneutralität sind. Laut Bericht des Weltklimarats war der Transportsektor im Jahr 2019 für 15 Prozent der ausgestoßenen globalen Emissionen verantwortlich. Auch die Logistikkonzepte der Paketdienst- leister sehen größtenteils den Einsatz von Lieferwagen und Transportern vor. Um umweltfreundlicher zu werden, haben Anbieter wie DHL, der Paketdienst der Deutschen Post, ambitionierte Pläne. In Hamburg werden die zum Teil schon realisiert: Über 60 Prozent der DHL-Touren er- folgen hier bereits klimaneutral per Elektroauto, Fahrrad und sogar zu Fuß. Bis zum Jahr 2025 wollen die Anbieter deutschlandweit insgesamt 70 Prozent ihrer Sendungen emissionsfrei liefern. Wie kann das funktionieren? „Eine wichtige Rolle bei unserer Untersuchung zur klimaneutralen und stadtverträglichen Paketzustellung spielt die letzte Meile“, sagt Heike Flämig. Sie ist Professorin für Transportketten und Logistik an der TU Hamburg und beschäftigt sich seit Mitte der 1990er Jahre mit Lösungsan- sätzen für einen emissionsfreien Lieferverkehr. Wie der Name andeutet, ist die letzte Meile die finale Wegstrecke vom letzten Knotenpunkt des Logistikdienstleisters zum Kunden. „Das kann man sich wie ein sehr verzweigtes Netz- werk vorstellen“, so Flämig. „Denn von jedem Paketzentrum führen zig verschiedene Wege in die einzelnen Servicege- biete, also zu den Wohn- und Unternehmensstandorten, in denen die Empfänger auf die Sendung warten.“ Im besten Fall. Denn bleibt die Tür zu, weil der Kunde oder die Kundin nicht zu Hause oder das Geschäft noch geschlossen ist, reist das Paket weiter bis zum nächsten Paketshop oder sogar zurück ins Depot. Das ist für die Lieferdienste aufwendig und belastet die Umwelt, solange mit fossilen Kraftstoffen angetriebene Lieferwagen für die Auslieferungen genutzt werden. Wie wäre es stattdessen mit postgelben DHL-Las- tenrädern und Elektroschiffen? Für die TU Hamburg arbeitet Flämig seit September 2022 an dem Projekt „DECARBOMILE“: eine kollaborative Initiative mit insgesamt 31 europäischen Partnern. 9,6 Mil- lionen Euro stehen zur Verfügung, um Lösungen für eine CO2-neutrale letzte Meile zu entwickeln, zu testen und zu evaluieren. Forschungseinrichtungen, Industriepartner und öffentliche Einrichtungen aus elf Ländern haben sich für Auf der Spree in Berlin liefert das erste Boot bereits CO2-frei aus – es ist solarbetrieben 2 1

M I S S I O N Katharina Beck betreut das Projekt. Mit einer Karte zeigt sie die Stelle, wo am Alsterfleet an der Hamburger Stadthausbrücke das Elektroboot mit den Paketen voraussichtlich anlegen wird 2 3

M I S S I O N H o r i z o n E u r o p e – F o r s c h u n g u n d I n n o v a t i o n b i s 2 0 2 7 ist das größte Förderprogramm für Forschung und Inno- vation weltweit. Die Inhalte orientieren sich an wichtigen gesellschaftlichen Fragestellungen wie zum Beispiel Gesundheit, nachhaltige Entwicklung und Digitalisierung. Ein zentrales Ziel ist es, Exzellenz in der europäischen Wissenschaft zu fördern. Durch die geförderten Projekte wird die länderübergreifende Zusammenarbeit gestärkt – europäisch, aber auch weltweit (s. Seite 37). www.horizont-europa.de geklappt und wo müssen wir noch nachbessern?“, so Beck. In ihren Händen liegt die ökologische, ökonomische und soziale Bewertung aller Living Labs. Dafür analysiert das Team Dokumente, führt Interviews durch und wertet die gesammelten Daten aus. Becks Augen leuchten, wenn sie von der Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Teams spricht. „Das macht die Arbeit in diesem Projekt für mich sehr spannend. Mit 31 europäischen Partnern kommt ein total diverses und internationales Team zusammen, in dem jeder eigene Stärken und Ideen mitbringt.“ Kern des EU-Projektes ist es, dass alle entwickelten Lösungen auch von anderen Städten übernommen werden können. Dafür entwickeln die Forschenden einen methodi- schen Ansatz, den andere Städte zur Gestaltung einer CO2- freien letzten Meile zurate ziehen können. Für Hamburg bleibt es auf jeden Fall spannend: Bringt das Projekt einen echten Mehrwert mit sich, könnte das Postschiff auf Dauer bleiben und auch nach Projektende noch weiter durch die Fleete von Hamburg schippern. Dann wäre der Traum von Heike Flämig wahr geworden. Lena Bender Helle Köpfe gesucht! MACH HAMBURG MÖGLICH. Komm als Werkstudent*in oder Berufseinsteiger*in zu Stromnetz Hamburg. stromnetz-hamburg.de/fuer-bewerber

V I S I O N dass sie entscheidende Neuerungen mit sich gebracht haben. Und so könnte man den Begriff Innovation definieren: Es handelt sich um neue Ideen und Techniken, die Bisheriges verändern und neue Probleme lösen können. Denn die Innovation unterscheidet sich in einem Punkt ganz wesentlich von der Erfindung: Sie setzt sich nur durch, wenn sie auf gesellschaftliches Interesse stößt. Der 3D-Fernseher bei- spielsweise tat es nicht, weil niemand zuhause auf dem Sofa eine 3D-Brille tragen mochte und so keine Nachfrage der Konsument*innen zustande kam. Nutzen für die Gesellschaft Immer häufiger finden Neuerungen an den Schnittstellen der Disziplinen statt. An Universitäten schließen sich Forschungsteams der einzelnen Fach- bereiche zusammen oder sie entwi- ckeln zusammen mit Spezialist*innen aus Unternehmen Lösungen für be- stehende Probleme. Am Beispiel der Forschung zu grünem Wasserstoff zeigt sich, dass dabei häufig digitale und globale Ansätze verfolgt werden: So plant ein deutsches Energieunter- nehmen in der Wüste Namibias, mit- hilfe von Solar- und Windenergie Wasserstoff herzustellen, der als Flüs- siggas nach Deutschland gebracht und hier als Energiequelle eingesetzt wird. Doch um diesen Plan Wirklichkeit werden zu lassen, müssen verschie- denste Naturwissenschaftler*innen wie Ingenieur*innen, Geolog*innen, Chemiker*innen und Physiker*innen mit Computerspezialist*innen zusam- menarbeiten. Es entsteht ein globales Produkt. Doch nicht jede Innovation muss sich für alle gleichermaßen lohnen: Grünen Strom und Wasserstoff als Energiequellen einzusetzen, stellt ei- nen Meilenstein für die Entwicklung der künftigen CO2-freien Mobilität dar. Die Energieträger ermöglichen es, Elektro- autos, Lkw oder LNG-Schiffe zu betrei- ben und so weiteren klimagefährden- den CO2-Ausstoß zu verringern. Für die Mineralölindustrie hingegen sind das keine guten Nachrichten, denn fossile Energien werden weniger nachgefragt. Der Gesellschaft insgesamt aber nutzt diese Entwicklung. Hochschulen als Innovationstreiber Untrennbar verbunden ist die Innova- tion mit dem Begriff Technologie oder Technologietransfer. Das mag zum einen am oben beschriebenen Fort- schreiten von digitalen und globalen Projekten liegen, für die gerade im Kampf gegen den Klimawandel techni- sche Lösungen im Vordergrund stehen. Verstärkt hat sich dieser Prozess aber vielleicht auch durch politischen Druck: So wurden 1998 – vor 25 Jahren – bil- dungspolitisch neue Weichen gestellt: Das Hochschulrahmengesetz wurde dahingehend geändert, dass nicht nur Forschung und Lehre die Ziele der Bildungseinrichtungen sind. Es wur- de festgeschrieben, dass als zentrale dritte Aufgabe der Wissens- und Tech- nologietransfer zwischen Hochschulen und privaten Unternehmen angestrebt wird. Seither kommt den Universitäten durch diese Gesetzesänderung nicht nur neue Bedeutung in der Weiterga- be impliziten Wissens zu, nachhaltig konnte so die Innovationsfreude in der Forschung gestärkt werden. TU Hamburg I N N O VAT I V E K U N S T H A R Z E www.synthopol.com

M E N S C H E N das ist keine Einbahnstraße. Denn das Bemühen, die Wissenschaft so klar und direkt wie möglich zu vermitteln, bringt neue Blickwinkel und neue Ideen. Und es macht Spaß! Ich entwickle nicht nur Mathespiele, sondern ich bringe die Mathematik auch auf die Bühne. Wie das? Ich habe drei theatralische „Cowboy-Melodramen“ geschrieben, ein viertes ist in Arbeit. In jedem dieser Stücke wird ein mathematisches Theorem auf der Bühne präsentiert. Darüber habe ich auch Prof. Mnich kennengelernt. Er ist nicht nur in der theoretischen Informatik führend in der Forschung, ihm gefällt auch mathematisches Theater. Mathematik und Sprache sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Beide sind ausgedacht und müs- sen in sich stimmig und konsequent sein. So liegt es nahe, Mathematik durch Schauspiel zu erklären. In einer Umfrage haben Humboldt-Stipendiaten kritisiert, dass Forschende in Deutschland mit hohen bürokratischen Hürden kon- frontiert werden. Wie ist Ihre Erfahrung? (lacht) Deutschland liegt meiner Erfahrung nach im Mittelfeld. In Kanada war es bisher am unkompliziertesten. Es gab nicht einmal Vorgaben, für was genau die Forschungsgelder eingesetzt werden sollen. Aber in Deutschland habe ich gute Erfahrungen gemacht. Lena Bender H u m b o l d t - F o r s c h u n g s s t i p e n d i e n bieten herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus aller Welt die Möglichkeit, ein selbst gewähltes, langfristiges Forschungsvorhaben in Koope- ration mit einer Forschungseinrichtung in Deutschland durchzuführen. Für die sechs bis 24 Monate laufenden Stipendien können sich sowohl Postdocs als auch erfah- rene Wissenschaftler*innen bewerben. Für Forschende aus Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es analog die Möglichkeit, sich für ein Georg Forster‐Forschungs- stipendium zu bewerben. Bedingung dafür ist, dass die Forschung hohe Relevanz für die weitere Entwicklung des Landes hat. Die TU Hamburg begrüßt die Stipendiat*in- nen und heißt sie herzlich willkommen! Mohammad Amin Shahmohammadi ist mit dem Georg Forster-Forschungsstipendium für Postdocs an die TU Hamburg gekommen. Sein Gastgeber ist Prof. Alexander Düster vom Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen Woher kommen Sie und was war Ihr beruflicher Werdegang? Ich bin ein iranischer PhD-Absolvent in Bau- und Konstruktionswesen von der Isfahan University of Technology. Nach meiner Promotion begann ich, dort als Forschungsassistent zu arbeiten. Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt? Mein Gebiet ist die geometrische nichtlineare Analyse von dünnwandigen Strukturen. Als Doktorand habe ich eine neuartige numerische Methode zur Durchführung nichtlinearer Analysen von Schalen entwickelt. An welchem Projekt arbeiten Sie an der TU Hamburg? Ich entwickle ein robustes Berechnungswerkzeug, das in verschiedenen Ingenieurdisziplinen wie der Schifffahrt und der Automobilindustrie ein- gesetzt werden kann. Zum Beispiel kann diese Methode für die Analyse verschiedener dünnwandiger Teile von Schiffskörpern verwendet werden. Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit an der TU oder generell an Hamburg? Ich bin begeistert von der Arbeit in unserem kompetenten Forschungs- team. Sie gibt mir die Möglichkeit, neue Ziele zu erreichen. Außerdem ist Hamburg für mich eine der besten Städte in Deutschland. Ich bin sehr froh, jetzt hier zu leben. 2 9

M E N S C H E N WELCHE ASSOZIATIONEN HABEN SIE ZU DEUTSCHLAND? (0 = im Vergleich sehr negativ, 10 = im Vergleich sehr positiv) (-5 = negativ, +5 = positiv) Infrastruktur und Ausstattung an Hochschulen und/oder Forschungseinrichtungen Bürokratisch Unbürokratisch n e i n a e z O , d n a l e e s u e N , n e i l a r t s u A a k i r e m a d ü S d n u - l e t t i M a p o r u E a k i r f a d r o N , n e t s O r e r e l t t i M d n u r e h a N a k i r e m a d r o N a r a h a s b u S a k i r f A n e i s A 9,3 8,2 7,0 7,8 9,1 8,8 7,0 T M A S E G 8,2 –1,1 Afrika Subsahara Asien 0,6 –2,9 Australien, Neuseeland, Ozeanien –2,2 Europa –2,5 Mittel- und Südamerika –1,6 Naher und Mittlerer Osten, Nordafrika –3,2 Nordamerika –1,8 GESAMT Infrastruktur und Ausstattung werden als sehr gut (8,2) eingeschätzt. Hin- gegen wird das zunehmende Fehlen von Kindergarten- und Kitaplätzen von den Gastforschenden während ihres Aufenthalts als Belastungsfaktor empfunden. Nach ihrer Assoziation zu Deutschland befragt, bewerten die Geförderten Deutschland als sehr wissenschaftsfreundlich (4,2), demokratisch (3,8), gastfreundlich (2,8) und tolerant (2,7). In puncto Humor (1,2) und Offen- heit (0,8) waren die Rückmeldungen weniger positiv. Auffallend in der Gesamtwertung ist ein negativer Trend: Deutschland wird als überwiegend bürokratisches Land gesehen (–1,8). 3 1

Mission TRINKWASSER SAUBER, ERFRISCHEND UND GESUND! Der Klimawandel fordert die Wasserversorger in Europa. Steigende Temperaturen und Starkregen führen zu Ver- änderungen der Wasserqualität. Das Forschungsprojekt SafeCREW untersucht bekannte und bisher unbekannte Nebenprodukte – um den Menschen auch künftig siche- res und sauberes Trinkwasser bereitzustellen. 3 3

Nebenprodukte entstehen. Wir untersuchen das Wasser danach, wie viele dieser Substanzen wir darin finden und ob sie giftige Auswirkungen haben könnten“, so Grieb. Diese und weitere Messungen werden mit einem abgestimmten Monitoring über die Zeit beobachtet, um auch mithilfe von künstlicher Intelligenz und Modellierung, Vorhersagen über das Vorkommen der Nebenprodukte im Trinkwasser- netz treffen zu können. Denn letztlich leitet sich aus diesen Untersuchungen das passende Trinkwassermanagement der jeweils zuständigen Wasserversorger ab: nur so viele chemische Stoffe einzusetzen, um am Ende eine gleichblei- bend hohe Trinkwasserqualität herauszubekommen. Dabei verfolgt das Projekt einen ganz praktischen Nutzen: „Am Dr. Anissa Grieb betreut das Projekt SafeCREW Ende wollen wir den Wasserversorgern Leitlinien für ihre an der TU Hamburg Trinkwasseraufbereitung an die Hand geben können“, sagt Anissa Grieb. Entdecke die Vielfalt deiner beruflichen Zukunft. Bewerbe Dich jetzt bei uns! Wir bieten Dir einen Job, Aus- oder Weiterbildung zum: Projektleiter, Bauleiter, Praktikanten und Werkstudenten. 040. 600 88 437 - 0 kontakt@taas-hh.de www.taas-hh.de

SafeCREW – sauberes Trinkwasser Unter der Leitung der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) am TU-Institut für Wasserressourcen und Wasserversorgung (Prof. Mathias Ernst) entwickeln insgesamt elf Projektpartner neue Methoden der Überwachung, Qualitätsprü- fung, Behandlung und Verteilung des Trink- wassers. Das Projekt erhält 3,9 Millionen Euro Förderung aus dem Förderprogramm Horizon Europe. www.safecrew.org Projekttreffen der SafeCREW-Beteiligten in Mailand WASSER IST NICHT ERSETZBAR Das Trinkwasser muss nicht nur vor den Auswirkungen des Klimawandels beschützt werden. Die Wasserressour- cen in Deutschland sind zunehmend auch Belastungen durch Arzneimitteleinträge, übermäßige Düngung in der Landwirtschaft sowie dem Einsatz von Pestiziden aus- gesetzt: „Ziel muss es sein, Einträge von Spurenstoffen und Nährstoffen im Grundwasser bereits an der Quelle zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren“, forderte Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des BDEW-Verbands anlässlich des Weltwassertags 2023. „Fast zwei Drittel unseres Trinkwassers stammen aus dem Grundwasser, ein Drittel aus Oberflächengewässern. Das macht es besonders wichtig, diese Wasserressource zu schützen. Wasser ist nicht ersetzbar und braucht deshalb den uneingeschränkten Schutz durch die Gesellschaft“, so der Wassermanager. Damit das Wasser weiterhin sauber und gesund bei uns aus dem Hahn sprudelt, dafür setzen sich Anissa Grieb und ihr Team an der TU Hamburg mit ihrer Forschung ein. Elke Schulze Landwirtschaftliche Düngung belastet das Grundwasser 3 7

01 04 07 Etwa 97 % des Wassers auf der Erde sind salzhaltiges Meerwasser und nur die restlichen 3 % kommen als Süßwasser vor. 02 Knapp zwei Drittel des deutschen Trinkwassers werden aus dem Grundwasser gewonnen und nur jeweils knapp 10 % aus Seen und Talsperren oder aus Quellwasser. 03 In den vergangenen 20 Jahren ist der Pro-Kopf-Ver- brauch von Trinkwasser um knapp 12 % gesunken. Für die Herstellung von 1 kg Papier sind etwa 750 Liter Wasser nötig. Das meiste Trinkwasser im Haushalt wird für die Toilettenspülung verbraucht. Der Mensch besteht zu etwa 50–60 % aus Wasser. 05 06 08 09 Quellen: www.lebensraumwasser.com/wasser-in-zahlen/ www.wasser-aqualino.de/mein-wasser/wasserwissen/zahlen-und-fakten/ www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/-/ jedes-fuenfte-kind-ohne-ausreichend-wasser/276900 Das Kanalnetz in Deutschland ist insgesamt 500.000 km lang. 96 % aller Haushalte in Deutschland sind an eine Kläranlage mit biologischer Reinigung angeschlossen. In Deutschland sichern mehr als 10.000 öffentliche Kläranlagen unsere Abwasserreinigung. 10 Der Wasserverlust liegt in Deutschland bei unter 7 %. Damit bezeichnet man die Wassermenge, die im Rohrnetz auf dem Weg zu den Verbrauchenden verloren geht. Das ist sehr wenig im Vergleich zu England (29 %) und Italien (27 %). 10 FAKTEN ÜBERS WASSER 3 9

M I S S I O N Containerschiffe, die einen Teil ihrer Fracht verlieren, erleiden nicht nur einen wirtschaftlichen Verlust, jede Havarie führt zu großen ökologischen Schäden. Das Projekt TopTier untersucht, wie Ladungen bei Extremwetter besser geschützt werden können. W Wer schon einmal ein beladenes Containerschiff aus der Nähe betrachten konnte, war wahr- scheinlich beeindruckt von seiner Größe. Bis in den Himmel stapeln sich bis zu 25.000 Stück dieser Stahlboxen auf Deck. Die meisten von ihnen werden ohne Zwischenfall über die Welt- meere transportiert. Doch bei schwerer See kann es vorkommen, dass die Ladung verrutscht und Container über Bord gehen. Sie werden in TEU gemessen, wobei ein TEU einem 20-Fuß-Con- tainer entspricht – also etwa sieben Meter lang ist. Das World Shipping Council, eine Interes- senvertretung der Reedereien, gab für das Jahr 2020 einen Verlust von 1.400 TEU an. Doch die Zahlen steigen, allein von Oktober 2020 bis März 2021 gingen mehr als 2.500 Container über Bord. Im November 2020 verlor das Containerschiff ONE Apus alleine 1.816 Container und im Januar 2021 beklagte die Maersk Essen einen Schwund von 750 der Container. Das führt nicht nur zu ökologischen und ökonomischen Schäden, im Wasser treibende Container stellen zusätzlich eine Kollisionsgefahr dar. Die TU Hamburg ist mit ihrem Institut für Konstruktion und Festigkeit 4 1

M I S S I O N eine Rolle. Ideal wäre es, wenn sie aktiv Zwi- schenfälle verhindern könnten. Die Ergebnisse des Projekts werden an die zuständigen Schiff- fahrtsbehörden weitergeleitet und dort für alle Beteiligten umgesetzt – damit weiterhin gleiche und sichere Spielregeln sowohl auf See als auch an Land gelten. Elke Schulze T o p T i e r Das internationale Projekt wird vom niederländischen Forschungs- institut MARIN geleitet. Weitere Informationen unter: www.marin.nl/en/jips/toptier überprüfen. „Anschließend konzentrieren wir uns auf die Frage, wie mit der derzeitigen Praxis der Ladungssicherung umzugehen ist. Hierzu hat der Projektkoordinator MARIN die Schiffe im Wellenkanal getestet und die Schiffsbewe- gungen gemessen. Aus diesen Daten lässt sich ableiten, wie Größe, Ladung und Beladungs- zustand unter bestimmten Wellenbedingungen reagieren“, erklärt Prof. Ehlers die einzelnen Kriterien. Im weiteren Projektverlauf wird es besonders spannend: Die Forschenden wollen herausfinden, wie es dazu kommt, dass Con- tainer verrutschen. Dafür untersuchen sie die Schiffsbewegungen, insbesondere die horizonta- le Biegung und Torsion, eine schraubenförmige Verdrehung. Diese Effekte werden durch eine Kombination aus Messungen, Modellversuchen und numerischen Studien geprüft. Schließlich spielt auch das Verhalten der Schiffsbesatzungen Was unsere Maschinen in der Luft hält: Du. Wir sind Aviationeers. Was ist mit dir? Bewirb dich bei uns auf lufthansagroup.careers/aviationeers

M E N S C H E N Umweltschutz, gestoßen. Nach intensiven Recherchen, Gesprächen und der Lektüre von zahlreichen Artikeln und Büchern habe ich den Entschluss gefasst, mich beruflich im Klimaschutz zu engagieren. Seit Anfang des Jahres arbeite ich bei ClimatePartner und begleite in meiner Rolle als Key Account Manager Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr Klimaschutz. Der Weg dahin besteht aus den fünf Schrit- ten: CO2-Fußabdrücke berechnen, Reduktionsziele setzen, Reduktionen umsetzen, Klimaschutzprojekte finanzieren und transparent kommunizieren. Sie sind außerdem in verschiedenen sozialen Projekten tätig. Wie kam es dazu? ⸻ Ich habe das Bedürfnis, mich abseits meines täg- lichen Umfelds im sozialen Bereich zu engagieren. Für mich ist das Ehrenamt der Kitt der Gesellschaft. Ohne Ehrenamt- liche wären viele Projekte nicht möglich, da weder Personal noch Geld verfügbar ist. Zudem verlässt man mit einem Ehrenamt in der Regel seine gewohnte Umgebung – die „Blase“, in der man wohnt und arbeitet. Um welche Projekte geht es? ⸻ Ich helfe Wohnungslosen, meist mit Migrations- hintergrund. Ich unterstütze sie bei alltäglichen Problemen und versuche, einfach da zu sein, auch für persönliche Gespräche. Daneben engagiere ich mich bei „Ingenieure ohne Grenzen“. Das werden viele bestimmt kennen. Wir kümmern uns schwerpunktmäßig um die Realisierung von Projekten im globalen Süden – mit Planungsleistungen und auch Spendengeldern, übrigens auch mit unserer Regional- gruppe in Hamburg. Ich kann jedem nur empfehlen, ein Ehrenamt wahrzunehmen. Es geht dabei vor allem auch um die Erweiterung der eigenen Perspektive. Ich würde gerne mal einen Tag tauschen mit … ⸻ Da hätte ich viele Ideen: Zum Beispiel mit meinem zwei Monate alten Sohn, um die Welt aus seinen Augen zu sehen, oder mit Elon Musk, um einen Einblick in den Kopf eines exzentrischen Menschen mit einem solchen Innova- tionspotenzial zu bekommen. Gerne tauschen würde ich auch mit einem Besatzer der Internationalen Raumstation ISS, um einen Blick auf unsere Erde werfen zu können. Wenn ich jedoch darüber nachdenke, würde ich am ehes- ten einen Tag mit Wladimir Putin tauschen, um den Krieg mit der Ukraine zu beenden, den Weg für freie Wahlen zu W O L F G A N G W O O S T hat an der TU Hamburg Bauingenieurwesen und Umwelt- technik studiert und 2002 abgeschlossen. Nachdem er lange in der Luftfahrtbranche in Hamburg gearbeitet hat, lebt er jetzt in München und ist dort für eine Firma tätig, die Klima- schutzstrategien für Unternehmen zertifiziert. bereiten und mich dem internationalen Strafgerichtshof zu stellen. Auch wenn das ein ganz schönes Stück Arbeit ist für einen Tag. Was würden Sie einen allwissenden Forscher oder eine allwissende Forscherin aus der Zukunft fragen? ⸻ Ich würde fragen, wie es möglich ist, weite Strecken im Weltall zurückzulegen. Seitdem ich als kleiner Junge mit Raumschiff Enterprise zum Trekkie wurde, fasziniert mich auch die Vorstellung von Reisen zu fernen Planeten. Wenn Sie Präsident der TU Hamburg wären … ⸻ … würde ich schleunigst dafür sorgen, dass sich ein fähiger Kandidat oder eine fähige Kandidatin zur Wahl stellt, da ich mich in einem solchen Amt nicht sehe. Vorher würde ich noch ein interdisziplinäres Institut Klimaschutz gründen, das auf technologische Entwicklungen in diesem Bereich ausgelegt ist. Sind Ihnen Erlebnisse aus Ihrer Zeit an der TU Hamburg besonders in Erinnerung geblieben? ⸻ Ich erinnere mich sehr gut an Prof. Edwin Kreuzer – er weckte meine Leidenschaft für technische Mechanik. Und sein „Guten Morgen, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Vorlesung Mechanik 1 für Ingenieure“, das höre ich noch, als wäre es gestern gewesen. Wie würden Sie den Charakter der TU Hamburg in drei Eigenschaften beschreiben? ⸻ Familiär, modern, herausfordernd. TU Hamburg Mehr Informationen: www.linkedin.com/in/wolfgang-woost 4 5

Dein Job mit Sinn - gemeinsam für den Klimaschutz! Keine Lust mehr, deine Arbeitszeit in einem Unternehmen zu verbringen, das deine Werte nicht teilt? Das erwartet dich bei vilisto: Ein Job mit Sinn Gemeinsam arbeiten wir an unserer Vision einer Welt, in der alle Menschen achtsam mit ihrer Um- welt umgehen und durch Innovationen nur so viel Energie verbrauchen, wie sie für ihr Wohlbefinden benötigen. Ein hoch motiviertes Team In unseren regelmäßigen Teamevents erlebst du, dass wir auch außerhalb des Büros viel Spaß zu- sammen haben. Wir arbeiten, lernen und wachsen gemeinsam. Grüne Mobilität ist uns wichtig Aus diesem Grund sponsoren wir allen unseren Mitarbeitenden das Deutschlandticket. Wir unterstützen dich und deine Familie Zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf übernehmen wir die Hälfte deiner KiTa Kosten bis zu 100€ monatlich pro Kind. Get the job done Bei der Frage nach dem Wann und Wo lassen wir dir viel Freiraum und bieten flexible Arbeitszeitmo- delle in Voll- und Teilzeit sowie die Möglichkeit, bis zu 80 % remote zu arbeiten. Energie tanken erwünscht Neben 30 Tagen bezahltem Urlaub hast du dank Fitness-Kooperation deutschlandweit für nur knapp 18€ Zugang zu über 7.500 Partnern aus dem Sport- und Wellnessnetzwerk. Bewirb dich auf deinen Job mit Sinn! Wir freuen uns auf dich! www.vilisto.de/jobs

M I S S I O N A u f E x p a n s i o n s k u r s Vor knapp drei Jahren haben wir in spektrum 01/21 bereits über die Idee zu diesem Start-up berichtet. Damals waren die Gründer noch mit ihrem Master-Studium am NIT beschäftigt. Inzwischen haben sie die Exist-Förderung erhalten, hatten im Startup Port ein Jahr Zeit, ihre Idee und die Patentanmeldung voranzu- treiben, und suchen nun potenzielle Investo- ren für ihre Roboterproduktion. www.more-ls.com U „Unsere Erfindung ist weltweit für alle Labore interessant, die Zellforschung betreiben. In der Pharmaforschung ist sie ein wesentlicher Schritt auf dem Weg hin zu neuen Medika- menten und der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Krank- heiten, wie beispielsweise Krebs“, erläutert Lukas Gaats. Er gibt den Blick mit einer einladenden Armbewegung frei: auf ein Labor, in dem alles frisch und weiß leuchtet. Nichts liegt herum, es ist sauber und alle Geräte und Bildschirme sind neu. Auffällig ist eine Apparatur mit einer großen durchsich- tigen Haube als Deckel, die ihren Inhalt von äußerem Staub und Verunreinigungen abschirmt. Hier geschieht etwas: Júlia Vallverdú Ginès sitzt in einem ebenfalls weißen Laborkittel auf einem Hocker davor und hantiert mit kleinen Reagenz- gläsern, die sie mit einer rötlichen Flüssigkeit befüllt. Das ist die Nährlösung, die später vom Roboter in viele kleine Vertiefungen auf Plastikträgern eingebracht wird, dann werden diese versiegelt, damit die Zellen darin wachsen können. Giulia trägt desinfizierte Handschuhe, denn die Proben dürfen nicht verunreinigt werden. „Heute wollen wir Brustkrebszellen zum Wachsen bringen“, erklärt die Biologin. Studien ohne Tierversuche Júlia Vallverdú Ginès ist erst vor einigen Wochen aus Barce- lona zum Hamburger Start-up mo:re hinzugestoßen, ein- fach, in dem sie sich über die Homepage des Gründertrios Lukas Gaats, David Hackenberger und Niklas Gollenstede beworben hat. Sie suchten online nach einer Fachkraft für ihr Labor im Universitätskrankenhaus Eppendorf, das ihnen als „Co-Working-Labor“ zur Verfügung gestellt wird. Die beiden Erstgenannten sind Maschinenbau-Absolventen der TU Hamburg. Alle drei haben sich in ihrem Master-Studium am Northern Institute of Technology Management (NIT) das nötige betriebswirtschaftliche Fachwissen für ihr Start-up angeeignet. mo:re steht für modular und reproduzierbar. Das Medizin-Start-up möchte Labore ausstatten, um klinische Studien im industriellen Maßstab an Zellen durch- zuführen, ohne dass diese – wie bislang üblich – an Tieren ge- testet werden müssen. Dafür hat es einen Roboter erfunden, der automatisiert Zellkulturen in Mini-Petrischalen ansetzt. Bislang war es so, dass aufwendig per Hand mit einer Pipette Nährlösung und Zellen zusammengebracht werden muss- ten: „Mithilfe unseres Pipettier-Roboters können im Prinzip beliebig viele Zellkulturen angesetzt werden. Chargen von 10.000 sind kein Problem“, sagt Gründer Lukas Gaats, der die Idee dazu von einem Auslandsaufenthalt in Australien mitbrachte. Ein weiterer Vorteil des Robotereinsatzes ist die präzise Arbeitsweise. „Bislang mussten wir Proben bis zur Hälfte wegwerfen, weil das gewünschte Wachstum nicht zu- stande kam. Das ist mit unserem Roboter nicht mehr nötig. Somit könnten Firmen und Labore mit unserer Technik viel Aufwand und Geld sparen“, erklärt David Hackenberger, der sich auf die Programmierung des Roboters spezialisiert hat. Forschung in der dritten Dimension Die Vorarbeit dazu geschieht am Computer. Wenn genügend chemische Wirkstoffe per Mausklick identifiziert sind, werden sie an echten Zellen, beispielsweise Tumorzellen, im Labor getestet. Das passiert für gewöhnlich in einer 2D-Zellkultur, das heißt, die Zellen schwimmen in einer Petrischale in einer Flüssigkeit und wachsen nur auf der Oberfläche. Das kann man sich wie ein Spiegelei in der Pfanne vorstellen. Die Zellen sehen aber anders aus als echte Krebszellen, eben weil sie nicht dreidimensional sind. Lukas sagt: „Wir nutzen 3D-Zell- kulturen. Das ermöglicht realistische Modelle im Labor und 4 9

Zukunft kann kommen! Raffinerie im Wandel. Wir gehen voran und bereiten uns mit voller Energie auf eine neue, klimaschonende Zukunft vor. Als einer der größten Arbeitgeber der Region Dithmarschen in Schleswig-Holstein ermöglichen wir neben Direktein- stiegen und Praktika auch Studien-Abschlussarbeiten in verschiedenen Fachdisziplinen – insbesondere im Bereich Ingenieurwesen, Wirtschaft und Informatik. Gestalten Sie die Energiewende mit uns! Bewerben Sie sich, gerne auch initiativ. www.heiderefinery.com