M I S S I O N AUSSAGEN ÜBER JEDEN PUNKT AUF DER ERDE TREFFEN Zusätzlich zu den physikalischen Erklärungen setzt der TU Professor für seine Analysen auf ein breites Spektrum an modernsten experimentellen Werkzeugen. Allen voran nutzt er maschinelle Lerntechniken, Netzwerkmodellierung und maßgeschneiderte Laborexperimente, um die verantwort- lichen Prozesse für die Bodenversalzung für die Zukunft pro- gnostizieren zu können. Seine Idee war es, den Zustand der Böden weltweit mit allen zur Verfügung stehenden Daten zu analysieren, um dann Vorhersagewerkzeuge bereitzustellen, die in der Lage sind, die Bodenversalzung auf verschiedenen Skalen von wenigen Mikrometern bis zur globalen Skala zu beschreiben. Um untersuchen zu können, wie sich kleinste Sandkörner verhalten, könnte ihm die Röntgenmaschinerie des Hamburger Forschungsinstituts Desy helfen. „Mit der To- mografie visualisieren wir die Bodenstruktur und berechnen, wie beispielsweise Salz und Eisen im System transportiert werden“, so Shokri. „Dann habe ich mir angesehen, wie wir mit dem Prozess auf globaler Ebene umgehen müssen, und dafür nutzen wir maschinelles Lernen.“ Um den Salzgehalt des Bodens zu messen, überwacht er weltweit mehr als 200.000 Messpunkte. Er hat mehr als 40 verschiedene Parameter wie Niederschlag, Temperatur und Bodentyp definiert, die die Versalzung des Bodens be- einflussen, und daraufhin Modelle mit Algorithmen des maschinellen Lernens trainiert, um eine Beziehung zwischen dem Salzgehalt und diesen Parametern zu finden. So konnte er das Ausmaß global berechnen. „Mit BigDataAnalysen und Algorithmen des maschinellen Lernens konnten wir Vorhersagemodelle entwickeln und validieren, um den Salz- gehalt des Bodens weltweit auf einen Kilometer genau zu bestimmen.“ Das Erstaunliche an dieser Messmethode ist, dass Shokri viele Daten von Satelliten erhält und so am Ende Aussagen darüber treffen könnte, wie es um die Versalzung zum Beispiel in Hamburg bestellt ist, obwohl es dort keinen Messpunkt gibt, der reale Daten liefern könnte. Er zeigt eine Karte, auf der die USA mit Messpunkten übersät sind, wäh- rend sie an anderen Teilen der Welt, in Europa und auch in Deutschland, nur spärlich vertreten sind. „Diese Forschung hat es erstmals ermöglicht, die Versalzung auf der ganzen Welt in dieser räumlichen und zeitlichen Auflösung vorher- zusagen. Die Genauigkeit unserer Vorhersage hängt von der Verfügbarkeit von Messdaten ab, die für das Modelltraining 2 2 verwendet werden. Für Europa stehen jedoch deutlich we- niger Daten zur Verfügung als für einige andere Regionen wie Nordamerika. Und dieses Problem muss in Zukunft an- gegangen werden“, wünscht sich der Wissenschaftler. „Aber genau daran forsche ich gerade, um zusätzliche Daten für Europa zu gewinnen. Eines meiner Hauptziele ist die Vorher- sage des Ausmaßes der Bodenversalzung in Europa unter den Bedingungen des Klimawandels und des Auftretens extremer Wetterereignisse bis zum Jahr 2100.“ GESTRESSTE BÖDEN Auf die Landwirtschaft kommen unweigerlich Veränderun- gen zu. Wenn wir nicht das richtige Wasser verwenden oder zu viel Dünger, führt das künftig zu einer weiteren Versal- zung. Nima Shokri untersucht auch das. Er fragt sich, ob ein „KippPunkt“ existiert, an dem das System zusammenbricht. In Europa gibt es jetzt schon viele trockene Gebiete wie der Süden Portugals oder Spaniens. Aber auch Regionen in Italien und Griechenland sind von Versalzung betroffen. Im Dezember 2020 veröffentlichte die EUMission für Bodenge- sundheit und Lebensmittel eine Studie. Deren Fazit war, dass bereits jetzt 60 bis 70 Prozent der europäischen Böden als ungesund gelten. Sie sind ausgelaugt, regelrecht gestresst. Für die Zukunft fordert die EUMission radikale Aktionen, um Europa auf eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung umzu- stellen. Eines der wichtigsten Ziele dabei ist, die Versalzung zu reduzieren. Elke Schulze à AUCH IN DEUTSCHLAND DROHT GEFAHR Bodenversalzung könnte auch in Deutsch- land zum Problem werden, wenn auch aus ganz anderen Gründen als in trockenen Zonen. Steigende Meerespegel wirken sich auf die Küstenregionen aus. Wenn künftig salzhalti- ges Meerwasser eindringt und das Grundwasser erreicht, könnte es dieses kontaminieren. Für Hamburg und Umgebung wären vielleicht die Apfelplantagen im Alten Land in Gefahr, wenn die Bauern ihre Bäume dann mit salzigem Wasser bewässern.