Ozon in Wissenschaft, Umwelt und Bibliothek


Unsere bisherige Technik steht in der Natur wie eine Besatzungsarmee in Feindesland, und vom Landesinnern weiss sie nichts, die Materie der Sache ist ihr transzendent. Einen treffenden Doppelaspekt hierfuer geben zwei Figuren an einem grundehrlichen Denkmal, an dem des Chemikers Bunsen in Heidelberg: ein gefesselter Riese zur Linken, die ueberwaeltigte Naturkraft; ein verhuelltes Weib zur Rechten, die Sphinx Natur. Waere aber die Natur nicht verhuellt, so waere der Riese nicht gefesselt.
                                        Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 2

Inhalt


Einleitung

Die Auswirkungen des oben von Bloch beschriebenen Verhaeltnisses zwischen Natur und Technik spiegeln sich in der Ozonforschung und im Janusgesicht des Ozons wider:

- einerseits in der Schaedlichkeit und Zunahme des Ozons in der unteren Atmosphaere, verursacht durch die zunehmende Umweltverschmutzung, besonders durch den endlos wachsenden Autoverkehr. Bereits 5 millionstel Prozent Ozon in der Luft rufen schwerwiegende Veraetzungen der Atemwege hervor.

- andererseits die positive Wirkung und das Verschwinden des Ozons in der oberen Atmosphaere, der Stratosphaere. Die positive Wirkung des Ozons, die Erdoberflaeche wird vor der kurzwelligen Ultraviolett-Strahlung der Sonne geschuetzt, ist ebenfalls durch Mensch und Technik in Gefahr, aufgehoben zu werden, eine Erkenntnis, die erst in den letzten Jahren in das allgemeine Bewusstsein gedrungen ist.

Diese Ausstellung beschreibt die Geschichte der Ozonforschung und soll auf Ozonanwendungen in Wissenschaft und Technik bzw. auf Auswirkungen des Ozons in der Umwelt anhand der Bestaende der Universitaetsbibliothek der TU Hamburg-Harburg aufmerksam machen. Angegebene Signaturen beziehen sich auf die Buchstandorte in der Universitaetsbibliothek. Mit Hilfe der in dieser Broschuere angefuehrten Werke und der in diesen Buechern wiederum angegebenen Literatur sollte es moeglich sein, sich umfassend in das Thema "Ozon" einzuarbeiten.

Zur Fruehgeschichte der Ozonforschung

(1) Schon frueh ist bei Blitzschlaegen ein eigentuemlicher Geruch aufgefallen. Dieser Geruch wurde auch bei den gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufkommenden Elektrisiermaschinen festgestellt. Am 13.3.1839 berichtete der Chemiker Christian Friedrich Schoenbein (2) vor der Naturforschenden Gesellschaft in Basel ueber die Entdeckung eines neuen Stoffes, der sich bei der Elektrolyse von Wasser an der positiven Platin-Elektrode neben Sauerstoff bildete, und gab diesem Stoff den Namen Ozon (gr. ozien = riechen). Die erste schriftliche Mitteilung folgte 1840. (3)

Dass Ozon in der Atmosphaere vorkommt, schloss Schoenbein 1845 aus dem Geruch nach Blitzschlaegen. In einem Brief an den Chemiker Justus von Liebig vom 5.9.1853 deutete Schoenbein schon die wichtige Rolle an, die das Ozon in der Erdatmosphaere spielt: "Geneigt zu glauben, das atmosphaerische Ozon spiele im Haushalte der Erde eine wichtige Rolle, halte ich es fuer wuenschenswerth, dass moeglichst zahlreiche, sowie grosse Zeitraeume als bedeutende Laenderstrecken umfassende, untereinander vergleichbare Beobachtungen ueber die Veraenderungen des Ozongehaltes der Atmosphaere angestellt werden..." (4)

In Wien begannen solche Messungen schon im Jahre 1853.(5)

Ueber die Natur des Stoffes Ozon wurde lange diskutiert, Schoenbein selbst hielt ihn fuer ein "Wasserstoffhyperoxid", spaeter auch fuer eine Modifikation des Sauerstoffs. Lehrbuecher aus dieser Zeit und die "Jahresberichte ueber die Fortschritte der reinen, pharmazeutischen und technischen Chemie" (6) spiegeln diese Auseinandersetzungen wider.

1863 vermutete Soret: "la molecule d'ozone fut composee de 3 atomes OOO et constituat un bioxyde d'oxygene." (7) Schon vorher aber war Ozon schon soweit etabliert, dass im 1853 erschienenen 5. Bandes des "Handwoerterbuch der Chemie" (8) ein umfangreicher Artikel aufgenommen wurde. Die erste exakte Bestimmung des Molekulargewichtes von Ozon gelang A. Ladenburg in den Jahren 1898/99 (M=48).

Der im Eingangszitat erwaehnte Chemiker Robert Wilhelm Bunsen und der Physiker Gustav Robert Kirchhoff entwickelten 1859 die Spektralanalyse, die zu weiteren neuen Erkenntnissen ueber das Ozon fuehrte. Bei der Untersuchung des Sonnenspektrums entdeckte Alfred Cornu 1878, dass dieses unterhalb einer Wellenlaenge von 300 nm (Nanometer = 10-9 m) ploetzlich abbrach. 1880 berichtete der irische Chemiker Walter N. Hartley ueber das Absorptionsspektrum des Ozons, dessen Schwerpunkt bei 265 nm lag: das Ozon war also fuer die Absorption des Sonnenlichtes im ultravioletten Bereich verantwortlich.

1913 kamen die franzoesischen Physiker Charles Fabry und Henri Buisson aufgrund von weiteren Absorptionsmessungen zu dem Ergebnis, dass sich das Ozon in einer sehr hohen Schicht der Atmosphaere durch die Einstrahlung der Sonne auf Sauerstoff bildete und dort die UV-Strahlung absorbierte.
Durch Messungen von Gordon M.B. Dobson, F.W. Paul Goetz und Erich Regener in den zwanziger und dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts wurde das Maximum der Ozonschicht in ca. 22 km Hoehe festgestellt. Die durch die UV-Absorption des Ozons verursachte warme Region der Stratosphaere erreicht ihr Maximum bei ca. 50 km Hoehe.

Ozon in der Wissenschaft und Technik

Fruehe Anwendungen des Ozons machen sich seine Wirkungen als Oxidationsmittel zunutze. So wurde Ozon zur Reinigung von Spiritus und zur Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt. Auf moegliche Anwendungen des Ozons in der Medizin (Ozon-Therapie) , wie sie zum Beispiel in den dreissiger Jahren populaer waren, soll hier nur hingewiesen werden. (9) Die erste technische Apparatur zur Erzeugung von Ozon wurde 1857 von Werner von Siemens gebaut.

Ozon in der Chemie
Eine erste umfassende Darstellung zur Ozon-Chemie erschien im Jahre 1916. (10) In der organischen Chemie ist Ozon die klassische Reagenz fuer die Spaltung einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung. Die Untersuchung der bei dieser Ozonolyse entstehenden Spaltungsprodukte, wie Aldehyde und Ketone, ermoeglicht eine Strukturbestimmung des Ausgangsmolekuels. (11) Die starke Oxidationswirkung des Ozons wird auch in der organischen Synthese genutzt. (12) Ozon ist aufgrund seiner grossen Oxidationswirkung eines der staerksten Gifte ueberhaupt, ganz besonders fuer Mikroorganismen, "woraus sich vielleicht die unsinnige Werbung mit der 'ozonreichen', gesunden (!) Luft mancher Fremdenverkehrsorte ihre Berechtigung ableitet." (13)

Ozon in der Wasser- und Abwasserbehandlung
(14) Noch heute wird Ozon zur Abwasserbehandlung, beschraenkt auf eine Teil-, Vor- oder Nachbehandlung des Abwassers, eingesetzt. Es koennen zum Beispiel cyanid- und phenolhaltige Industrieabwaesser mit Ozon behandelt werden. In manchen Schwimmbaedern wird statt einer Chlorung Ozon zur Desinfektion benutzt.

Ozon in der Umwelt

(15)
Ozon in der oberen Atmosphaere
Die moderne Geschichte der atmospherischen Ozonforschung wurde durch einen Aufsatz von J.M. Molina und F.S. Rowland (16) eingeleitet. Die Wissenschaftler zeigten, dass Chlor durch die chemisch inerten Fluorchlorkohlenwasserstoffe aus Kuehlmittel- und Spraydosengasen in die Stratosphaere gelangen kann, wo die kurzwellige UV-Sonnenstrahlung zur Abspaltung von Chlor- und Fluoratomen fuehrt, die den Ozonabbau herbeifuehren:

             O3 + Cl -> ClO + O2
            ClO + O  ->  Cl + O2
Langsam wurde die Oeffentlichkeit auf die Zerstoerung der Ozonschicht durch vom Menschen hergestellte Chemikalien aufmerksam, aber erst die Entdeckung des Ozonloches ueber der Antarktis 1985 durch J.C. Farman u.a. (18) fuehrte dann auch zu internationalen Bemuehungen einer Reduzierung der FCKW-Produktion. Es kam zu einer Intensivierung der Forschungen ueber Klima und Erdatmosphaere, was sich auch an der Vielzahl der erschienenen Kongressbaende ablesen laesst. (19)

Der Deutsche Bundestag setzte eine Enquete-Kommision "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphaere" ein. (20)

Luftverschmutzung durch Ozon
Vor allem durch den Kraftfahrzeugverkehr frei werdende Schadstoffe, wie Stickstoffoxide, Kohlenstoffmonoxid und Kohlenwasserstoffe, foerdern die Entstehung des giftigen Ozons in der uns umgebenden unteren Atmosphaere, der Troposphaere. (21)

            NO2  ->  NO + O
         O + O2  ->  O3
Seit Mai 1990 werden in Hamburg im Rahmen des Hamburger Luftmessnetzes auch Ozonmessungen durchgefuehrt und veroeffentlicht. (22)

Ozon in der Bibliothek
Das Thema "Ozon in der Bibliothek" wird nicht nur durch die gezeigten Buechern ueber das Ozon-Problem umrissen. Es soll nicht unerwaehnt bleiben, dass Ozon auch durch in Bibliotheken befindliche Kopierer erzeugt wird, obwohl deren Ozonabgabe heute keinen Sicherheitsfaktor mehr darstellt. (23)
Copyright: Thomas Hapke

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Anmerkungen und Literaturhinweise

(1) Siehe auch die Darstellungen in:

(2) Zur Biographie siehe:
Christian Friedrich Schoenbein : 150 Jahre Entdeckung des Ozons.
Metzingen: Volkshochschule Metzingen-Ermstal, 1989.
Signatur: 2205-654.

(3) Schoenbein, C.F.: Recherches sur la nature de l˘deur qui se manifeste dans certaines actions chimiques. Comptes Rendus Acad. Sciences 10(1840) S. 706-710.

(4) Justus von Liebig und Christian Friedrich Schoenbein : Briefwechsel 1853 - 1868 / hrsg. von Georg W.A. Kahlbaum. Leipzig Barth, 1900. Hier: S. 10.

(5) Lauscher, Friedrich:
Ozonbeobachtungen in Wien von 1853 bis 1981. Zusammenhaenge zwischen Ozon und Wetterlagen.
Wien: Zentralanstalt fuer Meteorologie und Geodynamik, 1984.
Signatur: 3207-232.

(6) Zum Beispiel: Jahresbericht ueber die Fortschritte der reinen, pharmazeutischen und technischen Chemie... : fuer 1847 u. 1848/ hrsg. von Justus Liebig... Giessen: Ricker, 1849

(7) Soret, M. J.-L.: Sur les relations volumetriques de l'ozone. Comptes rendus Acad. Sciences 57(1963) S. 604-609.
Zitiert nach:
Ozone in the free atmosphere / ed. by Robert C. Whitten.
New York: Van Nostrand Reinhold, 1985. S. 3.
Signatur: 2445-319.

(8) Handwoerterbuch der reinen und angewandten Chemie / hrsg. von Justus Liebig. 5. Band. Braunschweig: Vieweg, 1851. S. 835-859.

(9) Siehe Lemmerich, a.a.O., S. 76-82.

(10) Fonrobert, Ewald:
Das Ozon.
Stuttgart: Enke, 1916.
Signatur: 2310-590

(11) Siehe Lehrbuecher zur organischen Chemie, z. B.:
Morrison, Robert T., Robert N. Boyd: Lehrbuch der organischen Chemie. 3. Aufl.
Weinheim u.a.: Verl. Chemie, 1986. S. 436 ff.
Signatur: CHK-303.

(12) Vergleiche:
100 modern reagents / ed.: N.S. Simpkins.
Nottingham: Moss, Royal Society of Chemistry, 1989. Hier: S. 129-130.
Signatur: CHK-700.

(13) Schmidt, Max:
Anorganische Chemie. Band 1.
Mannheim u.a.: Bibliogr. Inst., 1967. S. 87

(14) Siehe z. B.:

(15) Vergleiche:
(16) Siehe:
(17) Molina, J.M. and F.S. Rowland: Stratospheric sink for chlorofluoromethanes : chlorine atome-catalysed destruction of ozone. Nature 249(1974) S. 810-812.

(18) Farman, J.C., B.G. Gardiner and J.D. Shanklin: Large losses of total ozone in Antarctica reveal seasonal ClOx/NOx interaction. Nature 315(1985) S. 207-210.

(19) Zum Beispiel:

(20) Schutz der Erdatmosphaere : eine internationale Herausforderung. Zwischenbericht der Enquete-Kommission des 11. Deutschen Bundestages "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphaere".
Bonn: Dt. Bundestag, Referat Oeffentlichkeitsarbeit, 1988.
Signatur: 2476-504.

(21) Siehe auch:

(22) Ozon : Informationen und Empfehlungen. Hamburg: Umweltbehoerde und Senator fuer Arbeit, Gesundheit und Soziales, 1990.

(23) Paulus, Jochen:
Besser als ihr Geruch : Kopierer gefaehrdeten lange mit Ozon und krebserregendem Toner die Gesundheit...
Oekotest Dezember 1989. S. 36-40.


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