TUB-HH-Signatur: 2765-1584
Welche Chancen bietet die Vermarktung von Information ? Welche Probleme und Gefahren sind dabei zu berücksichtigen ? Gerade der Untertitel von Kuhlens materialreichem und lesenswerten Buch macht Hoffnung, daß diese und andere Fragen in diesem Werk erörtert werden. Endgültige Antworten wird man bei diesen aktuellen Themen nicht erwarten dürfen, jedoch sollten die wichtigsten Problemfelder und "Risiken" zumindest erwähnt werden. Dies ist leider nicht immer der Fall. Der urspünglich geplante Untertitel "Theorie und Praxis informationeller Mehrwerte" (Vorwort S. XXVII) wäre daher dem Inhalt des Buches gerechter geworden.
Auch über den Titel selbst kann man diskutieren. Gibt es überhaupt den Informationsmarkt ? Selbst Kuhlen spricht mindestens von zwei Märkten, dem der Ökonomie und dem der Wissenschaft. Insofern hat Collier recht, wenn er nur von Informationsmärkten spricht, da die Information als solche ja nicht zu verkaufen ist.[1] Nur eine bestimmte Art von Information kann an eine bestimmte, diese Art von Informationen gerade benötigende Gruppe von Käufern verkauft werden, wobei das Zustandekommen des "Geschäfts" auch noch davon abhängt, in welchem Format die Information vorliegt, welche Infrastruktur (Hardware, Netware, Software) bei Käufer und Verkäufer vorhanden ist sowie nicht zuletzt vom Preis und Zeitpunkt des Kaufangebotes.
Auch wenn die Sprache des Autors des hier zu besprechenden Werkes manchmal etwas theoriebeladen ist, das Buch ist doch flüssig lesbar. Der Leser erhält einen fundierten und differenzierten Überblick über weite Teile der Informationsmärkte. Entstanden aus Vorlesungen des Autors an der Universität Konstanz werden im ersten Teil, der "Theorie informationeller Mehrwerte", auch politische und gesellschaftliche Aspekte nicht ausgeblendet. So widmet sich ein Kapitel zum Beispiel der Telekommunikationspolitik (S. 141ff), einem Thema, dessen Auswirkungen als Grundlage der Informationsmärkte nicht nur im wissenschaftlichen und ökonomischen Bereich sondern auch im privaten Bereich immer größer werden.
Im zweiten Teil werden die verschiedenen praktischen Möglichkeiten im Informationsbereich dargestellt, wobei die Nutzung von Online-Datenbanken und der verschiedenen Dienste des Internet (E-Mail, FTP, Wais, WWW) erläutert und mit Beispielen demonstriert werden.
Im letzten Kapitel "Umverteilung - reale und virtuelle Distributionsmärkte", dem interessantesten des Buches, werden die zukünftigen und teilweise ja schon stattfindenden Entwicklungen im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation und Publikation hin zu rein elektronischen Medien dargestellt. Mögliche Auswirkungen auf Verlage, Bibliotheken, Datenbankanbieter und Nutzer werden diskutiert.
Das Buch ist zudem gut als Nachschlagewerk nutzbar, enthält viele interessante Zahlenangaben zum Informationsbereich sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis, wobei elektronische Quellen ebenfalls, vor allem in den Anmerkungen, berücksichtigt werden. Es bietet Hilfe zur Argumentation bei Entwicklungs- und Planungsentscheidungen im IuD-Bereich. So sind zum Beispiel im Abschnitt "Informationskompetenz an Hochschulen" Aufgaben eines Fachinformationsberaters (S. 245) aufgeführt, Aufgaben, die gerade auch Fachreferenten an Universitätsbibliotheken übernehmen müssen, um ihre Existenzberechtigung in der elektronischen Zukunft nicht zu verlieren.
Was die am Anfang erwähnten kaum behandelten Bereiche von "Risiken der Kommerzialisierung von Wissen" angeht, bin ich noch Beispiele schuldig:
- So wird das Problem der Erhaltung elektronischer Information nicht erwähnt. Dabei muß dieses nicht nur für den Historiker der Zukunft wichtige Problem auch aus Sicht der bisherigen Aufgaben von Bibliotheken im Hinblick der Erhaltung von "Beständen" einer tragfähigen Lösung zugeführt werden.[2] Ob das Buch selbst allerdings für Historiker des 21. Jahrhunderts als Quelle benutzbar wird, hängt auch davon ab, ob das Papier, auf dem es gedruckt ist, bis dahin nicht zerstört ist. Ein Vermerk über die Altersbeständigkeit des Papieres ist im Buch nicht zu finden.
- Ein ausführliches Kapitel hätten auch Fragen zum Copyright verdient gehabt, ist doch dieses ein Haupthindernis für die zukünftige "freie" Vermarktung von Information.[3]
- Vermißt habe ich ebenfalls einen Ausblick auf die Weiterentwicklung der Vernetzung, die sich zum Beispiel in Deutschland im Aufbau der Regionalen Testbeds zeigt, die in Zukunft die Infrastruktur für das Internet hierzulande darstellen werden. Gerade die weltweite Auslastung der vorhandenen Netzinfrastruktur verhindert zur Zeit konkurrenzfähige elektronische Marktangebote. Was nützt dem Endbenutzer eine elektronische Zeitschrift, für deren Zugriff über das Internet zwar jährlich Subskriptionspreise zu zahlen sind, dieser aber zu normaler Tageszeit wegen Überlastung selten möglich ist ?
- Zu den Themen Qualitätsmanagement und Controlling von Informationsdienstleistungen sollte man ergänzend ebenfalls auf weitere Literatur zurückgreifen.[4]
Nachdem viele Fachverbände und Unterhaltsträger schon Denkschriften zum Thema produzieren[5], angeregt hauptsächlich durch die enorme Verbreitung des Internet, wird Informationskompetenz für alle Mitglieder unserer Gesellschaft immer wichtiger. Auf Gefahren und Risiken der digitalen Zukunft im Hinblick auf kulturelle, pädagogische und auch politische Werte haben z.B. Neil Postman und kürzlich Barry Sanders[6] hingewiesen.[7] Kuhlens Buch bietet insgesamt gesehen einen fundierten und aktuellen Überblick über die Entwicklung im Informationsbereich und schafft damit Informationskompetenz, gerade aufgrund auch seiner praktischen Beispiele, denn Information aus Sicht der Informationswissenschaft ist "Wissen in Aktion".
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[1] Harry Collier: Strategies in the electronic information industry : a guide for the 1990's. 2. ed. Calne, Wiltshire: Infonortics, 1993. S. 13. TUB-HH-Signatur: 3213-2690
[2] Ergänzend zum Buch könnte man hier zu Rate ziehen:
- Jeff Rothenberg: Die Konservierung digitaler Dokumente. Spektrum der Wissenschaft, Sept. 1995, S. 66-71. TUB-HH-Signatur: TEZ-107
- Preserving digital information : Draft report of the Task Force on Archiving of Digital Information commissioned by The Commission on Preservation and Access and The Research Libraries Group. Version 1.0. Sept, 18, 1995. URL: ftp://lyra.stanford.edu/pub/ArchTF/Draft-Report.doc oder
http://www-rlg.stanford.edu/ArchTF/
- Peter Graham: Intellectual preservation and the electronic environment. In: Scholarly communication in an electronic environment : issues for research libraries / Robert S. Martin Ed. Chicago: Rare Books and Manuscript Section, Association of College and Research Libraries, Ameriacan Library Association, 1993. S. 71-101
[3] Siehe z.B. Collier, a.a.O., der auch ein Kapitel dem Copyright-Problem widmet.
[4] Vergleiche dazu z.B. Wolfgang G. Stock: Elektronische Informationsdienstleistungen und ihre Bedeutung für Wirtschaft und Wissenschaft. München: ifo Institut für Wirtschaftsforschung, 1995, TUB-HH-Signatur: 2765-0608, der auch auf das Thema Bewertung von Informationsdienstleistungen eingeht sowie die Aufsätze in Nachrichten für Dokumentation 46(1995)69-126. TUB-HH-Signatur: BUZ-106
[5] z.B.
- die im Gesprächskreis Informatik zusammengeschlossenen (Deutsche Gesellschaft für Dokumentation, Gesellschaft für Informatik u.a.) in "Informationskultur für die Informationsgesellschaft : Anforderungen an Politik, Witschaft, Wissenschaft, Gesellschaft. Aachen: Gesprächskreis Informatik, 1995",
- die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände in "Bibliotheken im Zeitalter der Datenautobahnen und internationalen Netze" (Göttingen, 1995),
- der Bibliotheksausschuß der DFG in: Elektronische Publikationen im Literatur- und Informationsangebot wissenschaftlicher Bibliotheken. ZfBB 42(1995)445-463. TUB-HH-Signatur: BUZ-100 ( auch über URL: http://www.uni-karlsruhe.de/DFG/Publikation/epub.html) oder
- das Bayerische Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst in: Wissenschaftliche Information im elektronischen Zeitalter : Bericht der Sachverständigenkommission Elektronische Fachinformation (EFI) an den Hochschulen in Bayern, München, 1995. (Report 05/95/14) (auch über URL: http://www11.informatik.tu-muenchen.de/EFI/)
[6] Barry Sanders: Der Verlust der Sprachkultur. Frankfurt a.M.: Fischer, 1995.
[7] Vergleiche z.B. auch Trevor Haywood: Info-Rich - Info-Poor : access and exchange in the global information society. London: Bowker-Saur, 1995. TUB-HH-Signatur: 2768-6630