Dem Thema Chemie in der Literatur hat sich der Leiter der Abteilung Bildung
im Deutschen Museum, Otto Krätz, in mehreren Veröffentlichungen
gewidmet. Er schreibt:
"Es mag für einen Chemiker schmerzlich sein, doch es wird sich sehr
empfehlen, sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass es - von wenigen, eher
seltenen Ausnahmen abgesehen - die Faszination des Bösen ist, die einen
Literaten zur Beschäftigung mit der Chemie treibt." (16)
So dient z.B. die Tatsache, dass die Titelfigur des "Untertan" von Heinrich
Mann Chemiker ist, "nur zur Unterstreichung ihrer negativen Wirkung".Das Fazit
von Krätz:
"So betrüblich es auch für uns Chemiker sein mag, die Chemie in allen
Varianten der Krimi- und Science-Fiction-Literatur als feile Dienerin des
Bösen zu erleben, so bleibt letztlich nur die Erkenntnis, die 1983 die
Amerikanerin (genauer: die Kanadierin) Margaret Atwood in ihrem erbaulichen
Werk "Die Giftmischer" so formuliert hat: '... Ich erinnere mich an das
Hochgefühl, mit dem wir es anrührten und vermehrten, an das
Gefühl von Magie und Vollendung. Giftmischen macht ebensoviel Spass wie
Kuchenbacken. Menschen mischen gerne Gift. Wer das nicht begreift, wird nie
etwas begreifen..." (17)
Krätz spielt dabei auf etwas an, was im heutigen Chemie-Unterricht
teilweise zu kurz kommt: die sinnliche Erfahrung der Materie, ein Thema, dem
sich der Autor Mins Minssen verschrieben hat. Aus dem Klappentext seines
Buches:
"Die Chemie hat den Stoffen ihre Form genommen: kleine Portionen farbloser
Lösungen, ein paar Körnchen weissen Kristallpulvers, man fügt
Kreidestriche zu einem Sechseck und sagt: 'Das ist Benzol'. Doch wie gross ist
der Unterschied zwischen einem Ding und seiner Bezeichnung..."
Der Stoffcharakter, so behauptet er [,der Autor,] steckt im sinnlich Greifbaren
mindestens so sehr wie im Chemischen. Die Chemie aber hat im Lauf der Zeit das
frühere Schwelgen im Stoff abgelegt und ist zur Abstraktion
abgemagert."