"So oft ich mich mit den grundlegenden Arbeiten unserer großen Meister unmittelbar vertraut machte, hatte ich einen Gewinn an Einsicht und Verständnis zu verzeichnen, der weit über das hinausging, was aus den sekundären Quellen, den Lehrbüchern und dergleichen zu entnehmen war."[1]
Um das "Mißverhältnis zwischen dem Gesamtumfang der Zeitschriftenliteratur und dem Anteil darin..., welchem eine dauernde Bedeutung zukam", zu verkleinern[2], gab Ostwald seit 1889 seine "Klassiker der exakten Wissenschaften" heraus, eine Reihe, mit der wichtige Originalarbeiten allgemein zugänglich wurden.[3]
"Die Geschichte einer wissenschaftlichen Editionsreihe ist zugleich ein Stück Kulturgeschichte. Sie widerspiegelt in ihrem Bereich die Höhen und Tiefen der gesellschaftlichen Entwicklung wie auch der geistigen Strömungen, in diesem Fall vor allem der Naturwissenschaften. Das trifft insbesondere auf das Verständnis und die Bewertung der historischen Wurzeln der Naturwissenschaften zu."[4]
Friedrich Wilhelm Ostwald wurde am 2. September 1853 in Riga
geboren. Schon während seines Studiums (seit 1872) an der Universität
Dorpat (heute Tartu) begann er sich mit dem zu beschäftigen, was
später zur Leitidee seiner wissenschaftlichen Forschung wurde, der Suche
nach den Gesetzmäßigkeiten der Bildung chemischer Verbindungen.
1881 wurde Ostwald als Professor der Chemie an das Polytechnikum in Riga
berufen. 1887 erfolgte der Ruf auf den Lehrstuhl für Physikalische Chemie
in Leipzig.
Mit dem Lehrstuhl in Leipzig ist "Ostwalds weltweite
Wirksamkeit als Mitbegründer und wesentlicher Organisator der
physikalischen Chemie untrennbar verbunden."[5] Ostwalds erste Assistenten unter
später mehreren hundert Schülern, von denen etwa 70 zu Professoren
ernannt wurden, waren Walther Nernst und Svante Arrhenius. Diese beiden sowie
van't Hoff und Ostwald waren die führenden Männer der Physikalischen
Chemie ihrer Zeit.
Die Durchsetzung der elektrolytischen Dissoziationstheorie, als Hauptbestandteil der modernen Physikalischen Chemie, erfolgte im wesentlichen durch Ostwald und seine Schule sowie durch die 1887 von ihm gegründete "Zeitschrift für physikalische Chemie".
Ostwalds Organisationsdrang wurde auch durch die 1894 erfolgte Gründung der "Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft" ,der späteren "Deutschen Bunsen-Gesellschaft für angewandte physikalische Chemie" deutlich, deren Vorsitzender er bis 1898 war. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Ostwald "unter Anlehnung an die ersten zwei Hauptsätze der Thermodynamik und des (an den) naturwissenschaftlichen Positivismus seine Energetik, die er zur modernen Naturphilosophie ausbaute."[6] Sein energetischer Imperativ, "Vergeude keine Energie, verwerte sie.", führte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch zu Überlegungen Ostwalds zur Organisation der wissenschaftlichen Arbeit. Auf chemischem Gebiet war diese Phase gekennzeichnet durch seine Überlegungen zum Katalysebegriff, deren Folge auch die Anerkennung der Bedeutung katalytischer Reaktionen in der chemischen Industrie war. So gelang zum Beispiel Fritz Haber (1868-1934) die katalytische Drucksynthese des Ammoniaks aus dem Stickstoff der Luft und Wasserstoff (Haber-Bosch-Verfahren), die große Bedeutung für die Düngererzeugung und für die Versorgung des deutschen Militärs im Ersten Weltkrieg mit Schießpulver hatte.
1905 legte Wilhelm Ostwald auf eigenen Wunsch sein Lehramt in Leipzig nieder und siedelte in sein Landhaus "Energie" nach Großbothen über. Er erhielt 1909 für seine Arbeiten über Katalyse und seine grundlegenden Untersuchungen über chemische Gleichgewichtsverhältnisse den Nobelpreis für Chemie.
Auf Ostwalds wissenschaftshistorische Arbeiten kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.[7] In seinen letzten Lebensjahren widmete er sich dem Feld der Farbenforschung. Seiner Farbenlehre blieb jedoch die Anerkennung weitgehend versagt. Am 4. April 1932 starb Wilhelm Ostwald mit 78 Jahren in Leipzig.
1889 | Der 1. Band der Reihe "Klassiker der exakten Wissenschaften", herausgegeben von Wilhelm Ostwald, erscheint im Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig. Es ist Hermann Helmholtz' zuerst 1847 erschienene Schrift "Über die Erhaltung der Kraft". (Signatur: 1300-061) Im ersten Jahr erschienen insgesamt 9 Bände. |
1894 | Der Physiker Arthur von Oettingen übernimmt die allgemeine Herausgabe für die nächsten 27 Jahre. Ostwald bleibt bis 1900 für die Chemie zuständig, die danach Richard Abegg redaktionell betreut. |
1915 | 195 Bände sind erschienen. |
1919 | Die Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig, übernimmt die Schriftenreihe. |
1920 | Der Sohn Ostwalds der Kolloidchemiker Wolfgang Ostwald übernimmt die Herausgabe. |
1922 | Band 196 erscheint als erster neuer Band nach dem 1. Weltkrieg. Schon 1920 waren Neuaufbindungen der Titel erschienen: Diese Bände enthalten den Buchblock mit Titelblatt des Verlages Engelmann, jedoch außen Umschläge in neutraler Form oder der Akademischen Verlagsgesellschaft. |
1923 | Als Band 200 erscheinen Ostwalds Arbeiten "Über Katalyse". |
1938 | Band 244 erscheint als letzter Band vor dem 2. Weltkrieg. |
1954 | Band 245 erscheint in der Akademischen Verlagsgesellschaft Geest & Portig, Leipzig. |
1965 | Die nach dem 2. Weltkrieg parallel zu Leipzig gegründete und 1983 wieder aufgelöste Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt a.M., beginnt mit der Herausgabe einer "Neuen Folge". Insgesamt erscheinen 6 Bände, ab Band 4(1968) im Verlag Friedrich Vieweg, Braunschweig. |
1968 | Der Leipziger Verlag begründet zusammen mit der B.G.Teubner Verlagsgesellschaft ein gemeinsames Herausgeber-Kollektiv für die "Klassiker" und die Reihe "Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner". |
1982 | Neuauflagen von vor 1945 herausgekommenen Titeln erscheinen
als "Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften -Reprint". Zum Beispiel Svante Arrhenius' "Untersuchungen über die galvanische Leitfähigkeit der Elektrolyte" (1883), Signatur: 2442-961 und Michael Faradays "Experimentaluntersuchungen über Elektrizität" (1832-1850). Signaturen: 1200-046, 1200-047, 1200-048, 1200-049, 1200-050, 1405-684, 1405-685
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1989 | Zum Jubiläum erscheint ein Sonderband von Lothar Dunsch zur Geschichte der Reihe: Ein Fundament zum Gebäude der Wissenschaften. Der Band enthält chronologisch geordnet eine Bibliographie der Reihe. Bis 1987 sind 275 Bände erschienen. Signatur: 1405-287 |
Beispiele für seit 1985 erschienene Bände der Reihe:
Schleiden u.a. 1404-686
Heyrovsky 1402-659
Runge u.a. 2202-272
Ritter 1403-729
Ostwald 1402-921
Nachdrucke von Ostwald's Klassikern erscheinen auch in Sonderausgaben bei anderen Verlagen, z.B. die von Arthur von Oettingen übersetzten "Discorsi..." Galileo Galileis (1638). Signatur: 2484-886
Unter den mathematischen Titeln der Reihe ist besonders Gauss zu erwähnen, der insgesamt mit 11 Titeln vertreten ist.
Bernoulli u.a. 1300-062
Lagrange u.a. 1300-063
Abel 1300-068
Gauss 1300-066
Eine Auswahl an physikalisch-mathematischen Werken (Signaturen):
Alembert 1300-064
Dieser Band ist eine Neuaufbindung des vom Verlag
Engelmann produzierten Buchblocks (siehe innere Titelseite) in einen
Außenumschlag der Akademischen Verlagsgesellschaft.
Archimedes 1300-071
Carnot 1300-067
Encke u.a. 1300-069
Helmholtz 1300-065
Kepler 1300-070
[2] Ostwald, Wilhelm: Lebenslinien. 3 Bände. Berlin: Klasing, 1926-1927. Hier: T.2, S. 55.
[3] Zur Geschichte vergleiche: Dunsch, Lothar: Ein Fundament zum Gebäude der Wissenschaften : Einhundert Jahre Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften (1889-1989). Leipzig: Akad. Verl.-Ges. Geest & Portig, 1989. Vergleiche auch: Thomas Hapke: Wilhelm Ostwald zur "Information und Dokumentation". In: Auskunft 10(1990) S. 165-176
[4] Dunsch, a.a.O., S. 7.
[5] Lotz, Günther, Lothar Dunsch: Wilhelm Ostwald. In: Forschen und Nutzen. 2.Aufl. Berlin: Akademie-Verl., 1982. S. XXI-L. Hier S. XXIII.
[6] Strube, Wilhelm: Der historische Weg der Chemie. Band 2. Leipzig: Deutscher Verl. für Grundstoffindustrie, 1981. S. 70.
[7] Vergleiche Zott, Regine: Über Wilhelm Ostwalds wissenschaftshistorische Beiträge zum Problem des wissenschaftlichen Schöpfertums. In: Ostwald, Wilhelm: Zur Geschichte der Wissenschaft. Leipzig: Akadem. Verlagsgesellschaft Geest & Portig, 1985. Einführung S. 10-39.