Epilepsie ist eine Regulierungsstörung des Gehirns. Wird sie nicht behandelt, äußert sie sich bei Erwachsenen zum Beispiel in Form von Krampfanfällen oder sogar Bewusstlosigkeit. Bei Neugeborenen und Kleinkindern wird Epilepsie jedoch häufig übersehen, weil sie keine Krämpfe zeigen, und kann daher tödlich enden.
Epilepsieforschung erfolgt in der Regel nur an spezialisierten Zentren. Dabei werden Hirnströme mithilfe eines EEGs (Elektroenzephalographie) gemessen und analysiert. Dies kann nur über kurze Zeiträume von wenigen Stunden stattfinden und schränkt die Personen während der Messungen sehr stark ein, da sie verkabelt sind und sich nicht bewegen dürfen. Außerdem stellt sich die Frage, wie aussagekräftig die Messungen sind, da nicht unter realen, sondern nur unter künstlichen Bedingungen und über kurze Zeit gemessen wird.
Gefahr frühzeitig erkennen
Deshalb untersucht Prof. Alexander Kölpin vom Institut für Hochfrequenztechnik (IHF) der Technischen Universität Hamburg im Rahmen des öffentlichen Förderprojekts BrainEpP ein Verfahren, das bei jungen Erwachsenen, Kleinkindern und sogar bei Frühgeborenen berührungslos und kontinuierlich ein Monitoring der Herzkreislauffunktionen ermöglicht. Aus den gemessenen Parametern kann auf die Aktivierung des autonomen Nervensystems geschlossen werden. Es wird von zwei Systemen mit gegensätzlicher Wirkung gesteuert: dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Zusammen regulieren sie lebenswichtige Körperfunktionen wie die Atmung, den Herzschlag oder die Verdauung. Die Feinstruktur extrahierter Herzsignale gibt darüber Aufschluss, wie gut diese Regulierung erfolgt. Hieraus lassen sich nicht nur epileptische Anfälle ohne EEG schätzen, es sollen auch schon vor einem Anfall beginnende Störungen erkannt werden. Bei einem solchen Alarm könnte der Anfall medikamentös unterdrückt und die Lebensqualität vieler Betroffener erhöht sowie das Risiko des Versterbens bei einem Anfall reduziert werden. Denn, man vermutet, dass bis zu 20 Prozent aller so bezeichneten plötzlichen Kindstode mit einem unerkannten epileptischen Leiden zusammenhängen.
Kleinste Vibrationen messen
Das Monitoring geschieht ohne jegliche Berührung aus kurzer Entfernung bis zu einem Meter durch Kleidung oder Bettdecke hindurch. Dabei kommt ein so genanntes Hochfrequenzinterferometer zum Einsatz, das mit minimalster Leistung elektromagnetische Wellen sendet, die an der Körperoberfläche reflektiert und vom Sensor empfangen werden. Hieraus lassen sich kleinste Vibrationen der Körperoberfläche von nur wenigen Mikrometern Auslenkung erfassen, wie sie von Herzschlag und Atmung hervorgerufen werden. Diese Distanzmessdaten können kontinuierlich erfasst und mit Hilfe von Maschinellem Lernen automatisiert segmentiert und klassifiziert werden. Das Projekt BrainEpP sucht dabei in den Messdaten nach spezifischen Markern, also messbaren Indikatoren, für einen bevorstehenden epileptischen Anfall.
Das berührungslose Erfassen von Vitaldaten erlaubt somit ein kontinuierliches Monitoring vulnerabler Personengruppen, ohne deren Lebensqualität einzuschränken. Medizinische Veränderungen können damit frühzeitig erkannt werden, bevor gesundheitliche Krisen entstehen. Bei Kindern ist das umso wichtiger, weil die schwer zu erkennende Krankheit Epilepsie bei ihnen unbehandelt zum Tod führen kann.
Projektpartner im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt BrainEpP sind das Universitätsklinikum Erlangen sowie die Firmen Geratherm Respiratory, Silicon Radar, DeMeTec und Voigtmann
Weitere Informationen unter BrainEpP